Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.'

ein. Sie hat mir so 'was gesagt, und was mir wichtiger ist, ich Hab' es auch bestätigt gesunden, mit Augen gesehen."

Nun, was sagte sie?"

Sie sagte: Mama, es geht jetzt besser. Jnnstetten war immer ein vor­trefflicher Mann, so einer, wie's nicht viele gibt, aber ich konnte nicht recht an ihn heran, er hatte so 'was Fremdes. Und sremd war er auch in seiner Zärtlichkeit. Ja, dann am meisten; es hat Zeiten gegeben, wo ich mich davor fürchtete."

Kenn' ich, kenn' ich."

Was soll das heißen, Briest? Soll ich mich gefürchtet haben oder willst Du Dich gefürchtet haben? Ich finde beides gleich lächerlich . . ."

Du wolltest von Esst erzählen."

Nun also, sie gestand mir, daß dies Gefühl des Fremden sie verlassen habe, was sie sehr glücklich mache. Kessin sei nicht der rechte Platz für sie gewesen, das spukige Haus und die Menschen da, die einen zu fromm, die anderen zu platt, aber seit ihrer Uebersiedlung nach Berlin fühle sie sich ganz an ihrem Platz. Er sei der beste Mensch, etwas zu alt für sie und zu gut für sie, aber sie sei nun über den Berg. Sie brauchte diesen Ausdruck, der mir allerdings ausfiel."

Wie so? Er ist nicht ganz aus der Höhe, ich meine der Ausdruck« Aber . .

Es steckt Etwas dahinter. Und sie hat mir das auch andeuten Wollen."

Meinst Du?"

Ja, Briest; Du glaubst immer, sie könne kein Wasser trüben. Aber darin irrst Du. Sie läßt sich gern treiben, und wenn die Welle gut ist, dann ist sie auch selber gut. Kampf und Widerstand sind nicht ihre Sache."

Roswitha kam mit Annie, und so brach das Gespräch ab.

* *

>>-

Dies Gespräch führten Briest und Frau an demselben Tage, wo Jnnstetten von Hohen-Cremmen nach Berlin hin abgereist war, Esst aus wenigstens noch eine Woche zurücklassend. Er wußte, daß es nichts Schöneres für sie gab, als so sorglos in einer Weichen Stimmung hinträumen zu können, immer freundliche Worte zu hören und die Versicherung, wie liebenswürdig sie sei. Ja, das War das, was ihr vor Allem Wohl that, und sie genoß es auch diesmal Wieder in vollen Zügen und aufs Dankbarste, trotzdem jede Zerstreuung fehlte; Besuch kam selten, weil es seit ihrer Verheiratung, wenigstens für die junge Welt, an dem rechten Anziehungspunkte gebrach, und selbst die Pfarre und die Schule waren nicht mehr das, was sie noch vor Jahr und Tag gewesen waren. Zumal im Schulhause stand Alles halb leer. Die Zwillinge hatten sich im Frühjahr an zwei Lehrer in der Nähe von Genthin verheirathet, große Doppelhochzeit mit Festbericht imAnzeiger fürs Havelland", und Hulda war in Friesack zur Pflege einer alten Erbtante, die sich übrigens, wie gewöhnlich in solchen Fällen, um sehr viel langlebiger erwies, als Niemehers angenommen hatten. Hulda schrieb aber trotzdem immer zufriedene Briefe, nicht weil sie wirklich zufrieden war (im Gegentheil), sondern weil sie den Verdacht nicht