Heft 
(1894) 82
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Effi Briest.

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aufkommen lassen wollte, daß es einem so ausgezeichneten Wesen anders als sehr gut ergehen könne. Niemeher, ein schwacher Vater, zeigte die Briese mit Stolz und Freude, wahrend der ebenfalls ganz in seinen Töchtern lebende Jahnke sich herausgerechnet hatte, daß beide junge Frauen am selben Tage, und zwar am Weihnachtsheiligabend, ihre Niederkunst halten würden. Effi lachte herzlich und drückte dem Großvater in sxs zunächst den Wunsch aus, bei beiden Enkeln zu Gevatter geladen zu werden, ließ dann aber die Familien­themata fallen und erzählte vonKjöbnhavn" und Helsingör, vom Limsjord und Schloß Aggerhuns, und vor Allem von Thora von Penz, die, wie sie nur sagen könne,typisch skandinavisch" gewesen sei, blauäugig, flachsen und immer in einer rothen Plüschtaille, wobei sich Jahnke verklärte und einmal über das andere sagte:Ja, so sind sie; rein germanisch, viel deutscher als die Deutschen."

An ihrem Hochzeitstage, dem dritten October, wollte Effi Wieder in Berlin sein. Nun war es der Abend vorher, und unter dem Vorgeben, daß sie packen und Alles zur Rückreise vorbereiten Wolle, hatte sie sich schon verhältnißmäßig früh aus ihr Zimmer zurückgezogen. Eigentlich lag ihr aber nur daran, allein zu sein; so gern sie plauderte, so hatte sie doch auch Stunden, wo sie sich nach Ruhe sehnte.

Die von ihr im Oberstock bewohnten Zimmer lagen nach dem Garten hinaus; in dem kleineren schlief Roswitha und Annie, die Thür nur an­gelehnt, in dem größeren, das sie selber inne hatte, ging sie auf und ab; die unteren Fensterflügel waren geöffnet, und die kleinen, Weißen Gardinen bauschten sich in dem Zuge, der ging, und fielen dann langsam über die Stuhllehne, bis ein neuer Zugwind kam und sie wieder frei machte. Dabei war es so hell, daß man die Unterschriften unter den über dem Sopha hängenden und in schmale Goldleisten eingerahmten Bildern deutlich lesen konnte:Der Sturm auf Düppel, Schanze V", und daneben:König Wilhelm und Graf Bismarck auf der Höhe von Lipa". Effi schüttelte den Kopf und lächelte.Wenn ich wieder hier bin, bitt' ich mir andere Bilder aus; ich kann so 'was Kriege­risches nicht leiden." Und nun schloß sie das eine Fenster und setzte sich an das andere, dessen Flügel sie offen ließ. Wie that ihr das Alles so Wohl. Neben dem Kirchthurm stand der Mond und warf sein Licht auch auf den Rasenplatz mit der Sonnenuhr und den Heliotropbeeten. Alles schimmerte silbern, und neben den Schattenstreifen lagen Weiße Lichtstreifen, so weiß, als läge Lein­wand auf der Bleiche. Weiterhin aber standen die hohen Rhabarberstauden wieder, die Blätter herbstlich gelb, und sie mußte des Tages gedenken, nun erst wenig über zwei Jahre, wo sie hier mit Hulda und den Jahnke'schen Mädchen gespielt hatte. Und dann war sie, als der Besuch kam, die kleine Steintreppe neben der Bank hinausgestiegen, und eine Stunde später war sie Braut.

Sie erhob sich und ging aus die Thür zu und horchte; Roswitha schlief schon und Annie auch.

Und mit einem Male, während sie das Kind so vor sich hatte, traten nn- gerusen allerlei Bilder aus den Kessiner Tagen wieder vor ihre Seele: das landräthliche Haus mit seinem Giebel und die Veranda mit dem Blick auf

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