Heft 
(1894) 82
Seite
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Effi Briest.

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faßt, und von da ab war Alles an ihm wehmüthige Resignation. Es ist mir ganz sicher, er hat das Gefühl, aus der Sache nicht heil herausznkommen, und will auch nicht. Wenn ich ihn richtig beurtheile, er lebt gern und ist zugleich gleichgültig gegen das Leben. Er nimmt Alles mit und Weiß doch, daß es nicht viel damit ist."

Wer wird ihm secundieren? Oder sag' ich lieber, wen wird er mit­bringen?'

Das war, als er sich wieder gesunden hatte, seine Hauptsorge. Er nannte zwei, drei Adlige hier aus der Nähe, ließ sie dann aber wieder fallen, sie seien zu alt und zu fromm, er werde nach Treptow hin telegraphiren an seinen Freund Buddenbrook. Und der ist auch gekommen, famoser Mann, schneidig und doch zugleich wie ein Kind. Er konnte sich nicht beruhigen und ging in größter Erregung auf und ab. Aber als ich ihm Alles gesagt hatte, sagte er grade so wie wir:Sie haben Recht, es muß sein!"

Der Kaffee kam. Man nahm eine Cigarre, und Wüllersdorf war wieder daraus aus, das Gespräch aus mehr gleichgültige Dinge zu lenken.

Ich wundere mich, daß keiner von den Kessinern sich einfindet, Sie zu begrüßen. Ich weiß doch, daß Sie sehr beliebt gewesen sind. Und nun gar Ihr Freund Gieshübler ..."

Jnnstetten lächelte.Da verkennen Sie die Leute hier an der Küste; halb sind es Philister und halb Pfifsici, nicht sehr nach meinem Geschmack; aber eine Tugend haben sie, sie sind alle sehr manierlich. Und nun gar mein alter Gieshübler. Natürlich weiß Jeder, um was sich's handelt, aber eben deshalb hütet man sich, den Neugierigen zu spielen."

In diesem Augenblicke wurde von links her ein zurückgeschlagener Chaisewagen sichtbar, der, weil es noch vor der bestimmten Zeit war, langsam herankam.

Ist das unser?" fragte Jnnstetten.

Muthmaßlich."

Und gleich danach hielt der Wagen vor dem Hotel, und Jnnstetten und Wüllersdorf erhoben sich.

Wüllersdorf trat an den Kutscher heran und sagte:Nach der Mole."

Die Mole lag nach der entgegengesetzten Strandseite, rechts statt links, und die falsche Weisung wurde nur gegeben, um etwaigen Zwischenfällen, die doch immerhin möglich waren, vorzubeugen. Im Uebrigen, ob man sich nun weiter draußen nach rechts oder links zu halten vor hatte, durch die Plantage mußte man jedenfalls, und so führte denn der Weg unvermeidlich an Jnnstetten's alter Wohnung vorüber. Das Haus lag noch stiller da als früher; ziemlich vernachlässigt sah's in den Parterreräumen aus; wie mocht es erst da oben sein! Und das Gefühl des Unheimlichen, das Jnnstetten an Effi so oft be­kämpft oder auch Wohl belächelt hatte, jetzt überkam es ihn selbst, und er war froh, als sie dran vorüber waren.

Da Hab' ich gewohnt," sagte er zu Wüllersdorf.

Es sieht sonderbar aus, etwas öd' und verlassen."

Mag auch Wohl. In der Stadt galt es als ein Spukhaus, und wie's heute da liegt, kann ich den Leuten nicht Unrecht geben."

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