Heft 
(1894) 82
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Caterina Sforza.

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Worden. Der Borgia erinnerte sich dessen sehr Wohl und versprach, sein Pathenkind wie ein Vater zu behandeln: Caterina könne sich aus ihn ver­lassen, wie aus Sixtus IV. Caterina hielt sich deshalb von dieser Seite ge­borgen. Sie feierte mit großem Gepränge die Wahl des Papstes. Jnnocenz dem Achten War in demselben Jahre Lorenzo de' Medici im Tode voraus­gegangen. Mag man über die innere Politik dieses Mannes urtheilen, wie man will, er war doch ein genialer Mensch gewesen und hatte der Sindfluth, Welche nach seinem Ableben nur zu bald über ganz Italien hereinbrach, die Schleußen verschlossen gehalten. Seitdem die Riario das schändliche Attentat gegen ihn ausgeführt hatten, war er ihr Freund nicht gewesen. Daß er aber die Seele aller der Anschläge gegen ihre Herrschaft in der Romagna gewesen, und die Ermordung Girolamo's auf ihn in letzter Instanz zurückzuführen sei, wie Pasolini will, scheint nicht erwiesen. Wäre Caterina nicht ein Kind des fünfzehnten Jahrhunderts, so könnte man glauben, daß ihre fortgesetzten Be­mühungen, sich persönlich in Gunsten bei Lorenzo zu erhalten, dem Gefühle entsprungen seien, daß sie das Verbrechen ihres Mannes gegen Lorenzo wieder gut zu machen habe. In Wirklichkeit war diese ihre persönliche Politik jedoch Wohl nur die Frucht kluger Berechnung und einer, ich möchte sagen, instinc- tiven Empfindung von dem, was ihr schließlich einmal nützen werde.

Aus diesen ihren politischen Jnstinct mußte sie sich auch jetzt in den Stürmen verlassen, die über sie, wie über ganz Italien hereinbrachen.

Die Halbinsel war in zwei große Lager gespalten, deren Häupter sich wechselseitig bemühten, die Herrin von Jmola und Forli auf ihre Seite zu ziehen. Man wußte, daß sie nach Kräften, ja über diese hinaus, ihren kleinen Staat in Vertheidigungszustand setze. Die Lage dieses Staates an der großen Heerstraße von Oberitalien nach Neapel war es, die demselben nun eine be­sondere Wichtigkeit gab. Man wußte zwar auch, daß in ihm Unzufrieden­heit herrsche und daß die ihn regierende Familie in sich gespalten sei. Der florentinische Gesandte Puccio Pucci berichtete schon 1493 nach Hause, die Lage habe sich so zugespitzt, daß es zu einer Katastrophe kommen müsse; entweder werde Caterina ihren Buhlen (anmnts) ermorden lassen oder dieser werde sie und ihre Kinder umbringen, oder Ottaviano werde seine Mutter sammt ihrem Liebhaber aus der Welt schaffen. Nichtsdestoweniger blieben die Dinge noch in der Schwebe. Die großen Ereignisse zogen sie nicht in die Tiefe, sondern hielten sie über dem Wasser. Die allgemeine Noth, die über das Land kam, zwang Alle, von der inneren Lage abzusehen.

Als Karl VIII. endlich 1494 nach Italien gekommen war, von dem Vetter, aber Gegner ihres ersten Mannes, dem Cardinal Giuliano della Rovere (Julius II.) angestachelt und von ihrem Onkel, Ludwig dem Mohren, der ihre Geschwister der Herrschaft über Mailand beraubt hatte, gerufen, da beschloß Caterina nach langem Zaudern und zweideutigen Neutralitätsverhandlungen, sich auf die Seite des Papstes, Piero's von Medici und des Königs von Neapel zu stellen. Als aber die Truppen des letzteren vor dem Theile des französischen Heeres, das durch die Romagna nach Neapel ziehen sollte, ohne Widerstand nach dem Süden zurückgingen, die Franzosen einen befestigten Ort