Heft 
(1894) 82
Seite
205
Einzelbild herunterladen

Caterina Sforza.

205

anlehnen. Ihr natürlichster Stützpunkt blieb immer noch ihr Onkel, Ludovico il Moro von Mailand, obwohl er ihre Geschwister entthront hatte. Mit Venedig verseindet, sendete er ihr auch Beistand. Aber die Besehlshaber der Truppen, die er ihr geschickt hatte, waren nur rohe Kriegsleute. Sie leisteten Caterina keinen oder nur geringen Gehorsam, obwohl sie ofsiciell an die Spitze aller Streitkräste von Mailand in der Romagna gestellt war. In voller Rüstung ritt sie mit den Unterbefehlshabern, von denen der berühmte Capitano Fracassa, ein Graf von San Severino, ihr trotz aller gegen ihn verschwendeten Liebenswürdigkeit am unbotmäßigsten sich bezeigte, an die vom Feinde bedrohten Punkte, und nur ihrer persönlichen Wachsamkeit war es zu danken, daß Forli nicht einmal von den Venetianern überrumpelt wurde. Dazu kam, daß sie fast den ganzen Sommer 1498 hindurch leidend war und von ihren anderen Bundesgenossen, von den Florentinern, viel Aerger aus­zustehen hatte.

Die Florentiner, von dem Kriege gegen Pisa ganz erschöpft, sollten Cate­rina für die ihnen gesendeten Hülfstruppen Sold zahlen und sie, die ihnen die Apenninenpässe gegen die Venetianer in der Romagna vertheidigte, noch mit Gelde unterstützen. Das konnte die Republik, auch wenn sie besseren Willen gehabt hätte, kaum noch leisten. Bei aller Freundschaft für Florenz war die Gräfin daher fast gezwungen, sich von Florenz zu trennen. Aber konnte sie das so leicht ausführen? Drohte nicht soeben ihre stärkste Stütze, der Herzog von Mailand, zusammenzubrechen? Und lauerte nicht Cesare Borgia im Hintergründe, um die ganze Romagna für sich mit Hülfe der Franzosen zu gewinnen, welche den Herzog von Mailand mit Krieg zu über­ziehen sich anschickten? Es war kaum noch möglich bei der Unberechenbar­keit aller Verhältnisse, in denen sich Italien in dem letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts befand, vor Allem bei der Unzuverlässigkeit aller der Männer, welche an den entscheidenden Stellen die Geschicke leiteten, eine Entscheidung zu treffen, die nicht die schlimmsten Folgen in ihrem Schoße getragen hätte. Was für ein Verlaß war aus den Herzog von Mailand? Wer konnte gar dem Papste Alexander VI. trauen? Venedig und Florenz waren wahr­lich auch keine sicheren Partner. Bei diesem Chaos der einander durch­kreuzenden, sich gegenseitig aufhebenden und doch wieder ineinander fließenden Kombinationen, die damals den Kopf der Herrin von Forli beschäftigten, wollte es der Zufall, daß mit ihr der Mann in eine wenn auch nur vorüber­gehende Beziehung kommen sollte, welcher der wahrste und reinste Typus dieser Zeiten ist, Niccolo Machiavelli. Die erste Legation, die der Kanzler des Raths der Acht auszusühren hatte, führte ihn nach Forli zu Caterina, welche dem Novizen in der Diplomatie an Menschen- und Geschäftskenntniß weit überlegen war. Dazu hatte sie den großen Vortheil, selbständig ent­scheiden zu können, während Machiavelli von seinen Auftraggebern abhing. Waren beide auch bald über die Frage einig geworden, die der Verhandlung zum Vorwände diente, so war doch kein Resultat über die Hauptfrage zu er­zielen. Die Florentiner wollten die Gräfin auf ihrer Seite erhalten, diese aber forderte nach manchen Umschweifen schließlich von ihnen, daß sie ihren