Caterina Sforza.
209
werden. Der Herzog, welcher seine Bürger nicht von vornherein gegen sich aufbringen wollte, hörte geduldig die unendlichen Klagen der Jammernden an, aber kaum konnte er etwas zu ihrer Abstellung beitragen.
So sehr Cesare wünschte, bald mit der Besitzergreifung des Castells zu Ende zu kommen, so wenig zeigte sich Aussicht dazu. Es fehlte noch an Belagerungsgeschütz. Als Caterina am ersten Weihnachtstage eine Fahne, die einen Löwen zeigte, aus ihrer Burg aufhissen ließ, geriethen die Belagerer sogar in ängstliche Aufregung, da sie glaubten, Caterina habe sich in den Schutz Venedig's gestellt und die Republik von San Marco diesen übernommen. Aber es war nur eine Kriegslist der Gräfin. Um sie, die die Belagerer noch durch Kanonenschüsse zum Angriff herausforderte, zu einer friedlichen Lösung des Conslicts zu bewegen, demüthigte sich der Borgia soweit, daß er eines Morgens mit einem Trompeter an das Hauptthor der Citadelle heranritt und mit der Gräfin persönlich zu parlamentiren begehrte. Als Caterina sofort aus der Zinne des Brückenkopfes erschienen war, lüstete der Herzog ehrerbietig den Hut und redete seine Feindin an. Was die Beiden mit einander verhandelt haben, wissen spätere Chronisten zu erzählen; die zeitgenössischen berichten nichts darüber. Die Gräfin zog sich grüßend, nachdem sie ihre Antwort gegeben hatte, zurück, und Cesare warf sein Pferd herum und ritt ab. Aber er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, sein Ziel auf diesem Wege zu erreichen.
Nochmals ritt der Gras am 26. December an die Burg heran. Es wird berichtet, daß Cesare der Gräfin, die ihm das erste Mal ihr Mißtrauen gegen seine Verhandlungen ausgedrückt habe, den Monsieur d'Allsgre, den Bailly von Dijon und den Herzog von Vendome als Bürgen für sein Wort angeboten habe. Aber auch diese wies die Gräfin zurück. Und so mußten die Kanonen das letzte Wort sprechen.
Am 28. December eröffneten die Belagerer das Feuer aus die Burg aus zwei Batterien. Caterina, welche die Aufstellung ihrer Kanonen selbst geleitet hatte, antwortete mit Erfolg. Der Jngenieurhauptmann der einen französischen Batterie wurde gleich auf den ersten Schuß getödtet. Am 29. verstummte dann das Feuer der Angreifer. Sie wollten sich für das Schießen einer Bresche besser vorbereiten. Die Bauern der Umgegend mußten Faschinen zum Ausfüllen der Gruben herbeischaffen.
Caterina hatte sich in den Bergfried des Castells zurückgezogen. Ihr Wohnhaus überließ sie den Befehlshabern der Truppen. Von der Spitze des Thurmes konnte sie die Gegend weit überschauen und die Bewegungen der Belagerer verfolgen. Von dort aus sah sie die Sonne am ersten Tage eines neuen Jahrhunderts sich erheben. Sie wird ihr Wohl blutroth erschienen sein. Es gab kein Rückweichen, kein Verhandeln mehr. Als der Herzog auf den Kops eines Ingenieurs der Festungsartillerie einen Preis von 2000 Dukaten gesetzt hatte, bot sie dem, der ihr den Herzog todt einliefere, 5000, und dem, der ihn lebendig bringe, 10000 Dukaten. Darauf schrieb der Herzog einen Preis von 100000 Dukaten aus ihr Haupt aus.
Deutsche Rundschau. XXI, ö.
14