Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Anfänglich brachte das am 5. Januar 1500 von Neuem aufgenommene Feuer der französischen Bombarden den Festungswerken keinen großen Schaden bei. Was am Tage verletzt war, wurde des Nachts wieder ausgebessert. Caterina war unermüdlich unter den Ihrigen. Einen Küraß über dem Gewände, eilte sie von Ort zu Ort, wo die Kugeln Pfiffen, und be­theiligte sich persönlich an Ausfällen aus der Festung. Doch rasirten die französischen Kugeln bald die obersten Stockwerke des Bergfrieds und zweier Seitenthürme weg. Endlich legte auch die große Batterie von zehn Kanonen, welche das Castell von der Westseite her beschossen, zwei Breschen in die Courtine. Die Vertheidiger leisteten hinter den Resten der­selben tapferen Widerstand. Da wurde auch diese zusammengeschossen und ein Theil der Festungsmauer, von einem Thurm zum anderen, dem directen Angriff ausgesetzt. Um dem nun drohenden Sturm zu begegnen, ließ Caterina im Hofe der Festung eine Batterie aufsahren und sie mit Balken und Sand­säcken ausbauen. Diese kam aber zu keinem Schuß. Denn als am l 2. Januar die Bresche gangbar geworden war und der Sturm aus die Festung begonnen hatte, blieb sie stumm und der Schweizer Cupizer konnte sich der Fahne aus dem Thurme Ravaldino bemächtigen. Der Castellan Giovanni de Casale hatte keinen Befehl zum Abfeuern der Batterie gegeben. Man hat den Mann, dem man ein Liebesverhältniß mit Caterina nachsagte, des Verrathes beschuldigt. Wie es scheint mit Unrecht. Die Burg war nicht sehr glücklich angelegt, und der Castellan hatte den Fehler begangen, statt die Bresche mit aller Macht zu vertheidigen, die Besatzung an einzelne Punkte zu vertheilen, so daß also diese, als die Feinde einmal in der Burg waren, sofort auseinander gerissen war. Doch gab Caterina die Vertheidigung nicht auf, und Casale zündete das Pulvermagazin eines Thurmes an, der von Feinden erfüllt war. Er selbst entkam glücklich aus einer geheimen Treppe, und die Eingedrungenen ver­brannten oder wurden emporgeschleudert und zerrissen. Doch immer größere Haufen dringen in die Burg, in der allein noch der Bergfried Widerstand leistet. Caterina bricht aus ihm hervor, umgeben von ihren Brüdern und ihrem Gefolge. Ein wildes Handgemenge entbrennt. Das Weib stürzt sich aus die Feinde, die sie erkennen, wird aber immer glücklich von den Ihrigen wieder herausgehauen. Zwei Stunden dauert im Hose das Gemetzel. Vier- hundertsünfundsiebzig Leichen, die zahlreichen Verwundeten nicht gerechnet, hat man später aufgelesen!

Als Caterina sah, daß Alles verloren sei, befiehlt sie die ausgehäusten Faschinen und Reisigbündel anzuzünden, um die Angreifer hinauszuräuchern. Da springt der Wind um, und der dicke Qualm wälzt sich den Vertheidigern entgegen. Ruhe tritt im Getümmel für einen Moment ein. Kaum hat sich aber der Rauch ein wenig verzogen, da stürmt das furchtbare Weib noch ein­mal vorwärts. Jetzt sieht sie vor sich aus dem Thurm die Weiße Fahne wehen. Giovanni von Casale hatte sie ohne ihren Befehl aufgezogen. Sofort verschwindet Caterina mit ihren Vertrautesten und ihrer Dienerschaft. Dann werden auch an anderen Stellen Weiße Tücher auf die Lanzen gebunden, und der Kampf erstirbt. Aber nicht das Morden. Die durch den verzweifelten Widerstand in