Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Am 30. Juni 1501 ritt die Heldin von Forli, abgemagert und bleichen Angesichts, aus dem Thore der Engelsburg hervor. Auch innerlich war Caterina eine andere geworden. In den feuchten Verließen der Engelsburg, unter den Händen der Henker der Borgia, hatte sie Zeit und Muße gehabt, an ihre eigenen Blutthaten zu denken. Ihre Söhne hatten sie vermahnen müssen,sich nicht von dem Teufel in Verzweiflung führen zu lassen, wenn er ihr alle ihre Jrrthümer vor die Augen stelle; denn ein einziger Tropfen des Blutes Christi genüge, alle Sünden der Hölle zu sühnen und ihre Excellenz zu rechtfertigen."

Caterina nahm ihre Wohnung in Rom im herrlichen Palaste des Kar­dinals Riario, der sogenannten Cancellaria. Doch lange litt es sie dort nicht. Während der heilige Vaterdie in Christo geliebte Tochter, das edle Weib H Caterina Sforza" jetzt dem Wohlwollen der Florentiner in einem besonderen Schreiben dringend empfahl, zog diese es vor, heimlich zu Schiffe von Civita- vecchia oder Ostia nach Livorno zu gehen, um nicht den etwa von Cesare Borgia gedungenen Mördern aus dem Landwege in die Hände zu fallen.

Gegen die Mitte Juli zog die Bürgerin von Florenz, von ihren Söhnen eingeholt, in die Arnostadt ein und stieg im Hause des Giuliano Scali im Borgo Pinti ab. Dort holte sie sofort ihr Schwager Lorenzo di Piero Fran­cesco de' Medici ab und führte sie in das Haus seines verstorbenen Bruders Giovanni als in ihr eigenes.

Hier in Florenz und in seiner nächsten Umgebung hat dann Caterina den Rest ihres Lebens zngebracht. Sie bewohnte besonders gern die Besitzung ihres letzten Gemahls, die an dem Fuße des Monte Morello, nordwestlich von der Stadt, über der Arnoebene köstlich gelegene Villa di Castello, welche

mit der Villa della Petraia noch jetzt einen wahrhaft königlichen Landsitz

bildet. Im Sommer ging sie aus eine andere mediceische Besitzung, al Trebbio, im kühleren Casentinothale, wo sie ihrer auch schon in Forli gepflegten Lieb­haberei für Landwirthschaft und Thierzucht nachgehen konnte. Hatte sie jetzt mehr Zeit zu derartigen Beschäftigungen als in ihrem sturmbewegten Jugend­leben, so waren doch immer ihre Tage mit schweren Gedanken und Sorgen belastet. Man hat Wohl die letzten Lebensjahre von Caterina als lediglich von religiösen Bußübungen und frommen Meditationen ausgefüllt hin­gestellt. Ein geistlicher Biograph geht sogar so weit zu behaupten, daß

die Erinnerung an ihre eigene Vergangenheit, namentlich aber die Reue über die von ihr nach der Ermordung ihres zweiten Gemahls begangenen Grausamkeiten, insbesondere die Tödtung der unschuldigen Kinder der Orsi, ihr die Lebenstage abgekürzt habe. Ich halte das für ganz unwahrscheinlich, so wenig ich leugnen will, daß sich Caterina über viele Thaten ihres Lebens und namentlich über die Schandthaten nach dem Tode Giacomo Feo's (1495) die schwersten Gewissensbisse gemacht hat. Aber das hat sie nicht erst in diesen Jahren gethan. Caterina war von der ungläubigen Zeitströmung ihrer Tage wenig oder gar nicht berührt worden.. Von ihrer, nach der Weise des

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