Heft 
(1894) 82
Seite
215
Einzelbild herunterladen

Caterina Sforza.

215

Hauses Savoyen streng kirchlichen Adoptivmutter Bona in dem Glauben und den frommen Hebungen der Kirche erzogen, war sie sicher von den frivolen und heidnischen Ideen vieler Humanisten unberührt geblieben. Sie mochte Wohl als schöne, junge, liebenswürdige Frau den witzigen und galanten Schmeicheleien der gefährlichen Curialen in Rom ihr Ohr geliehen haben, aber das hatte ihre Weltanschauung nicht berührt. Auch in ihrem späteren Leben finden wir keinen Humanisten von irgend welcher Bedeutung in ihrer nächsten vertrauten Umgebung in Forli. Der bekannteste von ihnen ist noch der Grieche Michele Marullo Tarchianota, der mit ihr die Gefahren der Be­lagerung der Burg von Forli theilte. Viel gefährlicher als aller huma­nistischer Unglauben war für dieses thatkräftige, leidenschaftliche, mit allen Reizen sinnberückender Schönheit ausgestattete Weib die Umgebung von Männern, welche in der hohen Schule des Lasters, wie die Weltgeschichte sie nur einmal am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an der Curie hat er­stehen sehen, ausgewachsen und herangebildet, einer solchen noch durch den Glanz ihrer Stellung und ihren Einfluß auf das Haupt der Kirche zugleich imponirenden Frau gegenüber alle ihre schlimmsten Verführungskünste spielen ließen. An einen feigen, ihrer tapferen Seele widerwärtigen Mann gekettet, dessen niedrige Herkunft der Tochter des Herzogs von Mailand und Sprossen des kriegsberühmten Hauses Sforza ein ewiger Vorwurf fein mochte, mußte sie den Verlockungen der höchsten Würdenträger um so widerstandsloser ausgesetzt sein, als diese ja gleichzeitig auch die Träger, man verzeihe den Ausdruck, des Gegengiftes waren, mit der man der schönen Sünderin über alle Scrupel und Gewissensbedenken durch Ablässe und kirchliche Praktiken jeder Art hinweghelfen konnte. Und doch ist das sittliche Empfinden dieser heißblütigen und in der schwülsten Atmosphäre lebenden Frau Wohl vorüber­gehend unterdrückt, aber niemals völlig ausgerottet worden. Ihre ganze Natur war von Haus aus zu gesund, um sich von moralischer Sophistik umstricken zu lassen. Wie sie ihren Busen in einen Brustharnisch einzwängte, um dann mit dem Schwerte in der Hand für das, was sie für ihr und ihrer Kinder Wohl hielt, und für die Ehre des Hauses Sforza bis aufs Blut zu kämpfen, so hat sie auch ihr zarteres, weibliches Empfinden zurückgedrängt, und im Feld­lager, in sorgfältiger persönlicher Bearbeitung der verwickelten Finanzangelegen­heiten nicht nur ihrer Familie, sondern ihres Staates, in Sorgen für gerechte Rechtsprechung ihren Unterthanen gegenüber, in Herbeischaffung von Kriegs­material und in Drillung ihrer Soldaten ihre vornehmste Pflichterfüllung gefunden und geübt. In weiblichen Handarbeiten Wohl erfahren und geschickt, ist ihr Leben doch ausgefüllt mit schwerster Männerarbeit: mit kriegerischen Actionen, mit Verhandlungen über auswärtige und innere Staatsgeschäfte schwierigster und gefährlichster Art. Und was als ein besonderer Beweis für das gesunde Empfinden dieses mit vielem Mutterwitz und schlagfertiger Rede ganz besonders ausgestatteten Mannweibes am stärksten zeugt: Caterina hatte sich trotz der Scheußlichkeit der Umgebung, in der sie in Rom existirt hatte, und des wilden Lebens im Feldlager unter Kriegsleuten, ein wirkliches Ver- ständniß für die treibenden sittlichen Kräfte ihres Glaubens bewahrt und