Heft 
(1894) 82
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Botanische Streifzüge an der Riviera.

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von Hyeres alle diese Culturen mühelos gedeihen. Auch hier verlangen sie viel Umsicht und angestrengten Fleiß. Den Furchen der Felder folgen niedrige Hecken, die deutlich anzeigen, von welcher Seite Gefahr droht. Denn, trotz gegentheiliger Versicherungen, ist Hyeres nicht völlig vor dem Mistral gedeckt, und mit elementarer Gewalt stürzt er durch die Lücke ein, welche die Berge nach Toulon hin offen lassen. Anhaltende Dürre ist auch eine schwere Plage, welcher durch künstliche Bewässerung nicht immer abgeholsen werden kann. Immerhin besteht ein großer klimatischer Unterschied zwischen Hyeres und der übrigen Provence, ja selbst dem nahen Toulon, weil diese dem Mistral weit stärker ausgesetzt sind. Daher der Reisende, der von Westen kommend, hier in früheren Zeiten zum ersten Mal Palmen und goldsrüchtige Orangenbäume sah, sich an die Pforten des Paradieses versetzt wähnte. Alte Reisewerke sind voll des Lobes von Hybres. So das Werk von Aubin-Louis Millin,OonLsrvatour äe 8 m^ckaiUes, ck68 pieri'68 Zrav68 6t cke8 autigu68 cke 1 a Uidliotüegue Imperials", der im Aufträge des Ministers Chastal 1804 Süd­srankreich bereiste.Ich besuchte heute", schreibt Millin,den Garten des Herrn Fille. Tausende von Blumen umgeben dessen Haus. Tuberosen (U 0 I 7 - antüs8 tnberoLa), Cassien (Mmo8a üarneLiana) und Jasmin l.1a8minum 8amdae) Würzen die Luft mit himmlischen Düften. Was Sänger und Poeten einst gepriesen, jene Gärten der Alcine und Armide, welche der fruchtbare Genius des Ariost und des Tasso schuf, so glänzend sie auch unserer Ein­bildungskraft vorgeführt werden, sie treten zurück vor dem Garten, den wir hier vor den Augen haben. Man glaubt nicht mehr auf Erden zu wandeln, vielmehr in jene Laubgänge versetzt zu sein, in welchen die Seelen der Ge­rechten ein ewiges Glück genießen. Die Bäume stehen so dicht an einander, daß man nur aus künstlich angebrachten Pfaden zwischen denselben durch­dringen kann. Achtzehntausend Orangenbäume, beladen mit Blüthen und Früchten, bergen in ihrem Laube unzählige Nachtigallen, und Nachtigallen­gesang erschallt wie ein Hymnus an die Natur, um ihre Güte zu Preisen, ihr für einen so freudigen und duftigen Schatten zu danken. Andere Vogel­stimmen greisen in dieses glänzende Concert ein, während die fleißigen Bienen summend die Blüthen umschwärmen, um reiche Nahrung zu schöpfen aus so verschwenderischer Fülle."

Ein ähnliches Gefühl des sinnlichen Behagens, welches ein milderes Klima erweckt, mag es auch gewesen sein, das einst die Massilier bestimmte, ihre Niederlassung an diesem StrandeOlbia", die Glückliche, zu nennen.

Mit Vorliebe schweiften wir an sonnigen Nachmittagen auf den Maurettes umher, jenen Höhenzügen, an welche Hyeres sich lehnt. Wir suchten uns dort solche Orte aus, von welchen die alte Burg von Hyeres sich in schöner Umrahmung zeigte. Ein Stück blaues Meer bildete den Hintergrund, während grüne Hügel die scheckige Ebene deckten. Da lagerten wir uns aus Rosmarin, Mhrthen und Lavendel und vergaßen der fliehenden Stunden. Wir suchten im Geiste jene Trümmer zu beleben, die so mächtig drüben aus den Felsen thronen. Auch heute noch werden diese Trümmer von Wachtthürmen und Mauern beschützt, die in bewegtem Umriß allen Vertiefungen des Berges