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Deutsche Rundschau.
folgen. — In dem „Chastel d'Pöres" herrschten seit dem zwölften Jahrhundert die Herren de Foz, eine Nebenlinie der Vicomtes de Marseille. Manchen blutigen Strauß hatten sie zu pflücken, um ihre Burg gegen den anstürmenden Feind zu schützen und oft rauchte aus ihren Wachtthürmen die Lunte der Arkebusen. In friedlichen Zeiten, da füllten hingegen dieses Chastel die Gesänge der Troubadours, und es erklang in ihnen die sechsseitige Viola. War doch Mabille de Foz Präsidentin des Minnehoss von Pierreseu! Im Juni l254 gab es hohen Besuch aus der Burg; da kam Ludwig der Heilige, den aus Palästina der Tod seiner Mutter nach Frankreich zurückgerusen hatte. Einige Jahrhunderte später wurde hier oben auch Franz I. empfangen, während Ludwig XIII. nur noch die Ruinen der Veste sah: Heinrich IV. hatte deren Zerstörung beschlossen. Heute ist das alte Gemäuer in üppiges Grün gehüllt, und bunte Frühlingsblumen erklimmen selbst die Zinnen der Thürme. —- Scharf hebt sich der dunkle Berg vom Hellen Abendhimmel ab, wenn die provencalische Sonne sich hinter seinen Trümmern zur Ruhe senkt. Dann tränkt sie mit ihrem Glanze das Land und das Meer, umstrahlt die dunklen Felsen und bildet um die Burg einen goldenen Glorienschein. — Geisterhaft aber mutheten uns die Trümmer zur Nachtzeit an, da zur späten Abendstunde der Vollmond uns in die Berge gelockt hatte. Tief drang sein Silberschein in die Fugen und Spalten des zerklüfteten Gesteins und warf unheimliche Lichter in die Ruinen. Da belebten sich die alten Mauern und Thürme, nahmen menschliche Form an, schienen ihre Glieder zu bewegen und stierten mit unheimlichen Augen in die Ferne. Plötzlich war dann Alles wieder todt; eine dunkle Wolke breitete ihre Schatten über den Berg aus. Doch als der Mond wieder vortrat, da war es, als Hütten die Thürme in der Runde sich die Arme gereicht, und als führten sie einen infernalen Reigen aus um die Trümmer. Da ging es bergauf, bergab über die steilen Felsen und stöhnte und pfiff dabei durch die Lust in Unheil drohender Begleitung. Für Augenblicke leuchtete die Burg so aus, als stünde sie in Flammen, dann wieder versank sie in das Dunkel der Nacht. Mit Wirbelwind und Sturm, mit Blitz und Donner zog ein Gewitter von Westen heran: das mochte uns diese phantastischen Bilder vorgezaubert haben. Rasch breitete sich Finsterniß über das Land aus, nur das Meer dort hinten war noch in Silberglanz getaucht. Ein greller Lichtstrahl durchzuckte die Luft, ihm folgte ein betäubender Schlag, der die Grundvesten der Erde zu erschüttern schien. Wie geblendet standen wir da, während das Rollen des Donners sich entfernte. Dumpf tönte es noch fort in den nahen Bergen, Prallte dort mit immer schwächerem Echo von den Felsen ab, kam dann wieder näher, um endlich in der Ferne zu verhallen. Hatte dieser grelle Blitz nicht die Burg getroffen, nicht jene schlanke Cypresse zertrümmert, die so stolz aus den Ruinen dem Himmel entgegenragte, als wolle sie ihm trotzen? — Doch dicke Regentropfen begannen zu fallen; es war hohe Zeit, den Rückzug anzutreten.