Heft 
(1894) 82
Seite
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Botanische Streifzüge an der Riviera.

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II.

Jenes Gebirge, das sich im Osten von Hyäres erhebt, bildete im neunten und zehnten Jahrhundert ein Bollwerk der Mauren. Nach ihnen führt es mit Recht den Namen; von seinen Höhen aus beherrschten sie die weite Küste. In orographischer Beziehung bietet das Maurengebirge ein hohes Interesse. Es stellt ein in sich abgeschlossenes Gebirgsshstem dar, dessen Granite, Gneiße und Schiefer von dem umgebenden Kalkgebirge durch tiefe Thäler getrennt sind. Wie etwa die Alpen oder die Pyrenäen, besitzt das Maurengebirge sein eigenes, wenn auch nur kleines Flußsystem, seine eigenen Schluchten und Thäler. Es ist von der übrigen Provence so geschieden, daß es auch, ferne von derselben, eine eigene Insel im Meere bilden könnte. Seit Kurzem folgt eine Eisenbahn (Oüsmin äs ksr än 8ml äs 1a üranes) der Küste, an dem Gebirge entlang. Diese Bahn mündet in St. Raphael und schließt dort an die große Linie an, die Marseille mit Genua verbindet. Von den Stationen der Südbahn aus, dringt man leicht in das Gebirge ein, und solche Ausflüge waren es, die uns in Hysres sesthielten. Wir wurden nicht müde, wiederholt dieselben Strecken der Küste mit der Eisenbahn zu befahren; denn der Weg ist anmuthig und führt entweder durch schönen Wald oder am Meeresstrande entlang, mit fortwährendem Wechsel der Bilder. Der Anblick der Berge selbst bietet hingegen geringe Mannigfaltigkeit, da alle Kuppen abgerundet sind, nur wenig in ihrer Höhe schwanken und vierhundert Meter nicht übersteigen. Und doch ladet der üppige Wald auch da zu immer neuen Ausflügen ein. Wer Korkeichen zuvor nicht sah, wird freilich zunächst über diese Wälder staunen. Er erkennt Wohl die immergrüne Eiche, doch ihre geschälten Stämme und Aeste bieten einen ungewohnten Anblick. Die Krone der Kork­eiche gleicht derjenigen immergrüner Eichen, auch die Blätter sind wie Lei diesen lederartig und nur durch ihre eiförmige Gestalt und geringe Zähnelung ausgezeichnet. Befremdend ist aber die rothbraune Farbe der abgeschälten Theile, die fast blutrotst erscheinen, dort, wo die Sonne sie trifft.

Die ganze Bevölkerung des Maurengebirges lebt von der Korkgewinnung. Steht auch der Kork, der an dieser Küste wächst, dem spanischen und algerischen an Güte nach, so bleibt er doch ein geschätzter Handelsartikel und bildet eine einträgliche Quelle des Erwerbes. Die Korkeiche muß, bevor sie geschält werden kann, eine bestimmte Dicke besitzen, die sie mit fünfzehn bis zwanzig Jahren erlangt. Der erste Kork ist rissig, spröde und wandert vorwiegend in die Gerbereien. Er wird, weil rauher und härter, als männlicher Kork bezeichnet. Dann erst bildet sich der glatte, weniger harte, brauchbare Kork, den man weib­lichen nennt. Er wird alle acht bis sechzehn Jahre entfernt, je nach der Dicke, welche die Korkplatten erreichen sollen. Für gewöhnliche Stopfen reichen acht­jährige Platten schon aus, während noble Champagnerpfropsen weit stärkere, bis 5 Centimeter dicke verlangen; die Schälungen werden so lange wiederholt, bis der Baum ein Alter von hundertundfünfzig, ja selbst zweihundert Jahren erreicht hat. Dann sinkt der Werth seiner Produkte; es gilt, ihn durch jüngeren Nachwuchs zu ersetzen. Hundertjährige Korkeichen sehen schon majestätisch aus und treten mit ihren mächtigen Kronen und knorrigen