228
Deutsche Rundschau.
abgesehen, besitzt das rneerumspülte Vorgebirge ein sehr mildes Klima. Der bekannte Geologe Elie de Baumont hat dieses Stück Land als die Provence der Provence bezeichnet. Seine Vegetation ist üppig. Kiefern und immergrüne Eichen decken die Höhen; die Abhänge werden von mächtigen Kastanienbäumen beschattet, deren Früchte in ganz Frankreich als „Narrons äs Ovoill beliebt sind. Hier und dort streckt auch eine Palme ihr schlankes Haupt über eine Mauer hervor; doch man sieht es ihr an, daß sie oft vom Winde gelitten. Den Ufern der Bäche folgen Oleandersträucher und Vitexbüsche. Mit den schönen Blüthen des Oleanders schmückten sich und schmücken sich heute noch in Griechenland ans dem Lande die Frauen, auch benutzt man bei uns Oleanderblätter zur Verzierung der Speisen, während thatsächlich der Milchsaft dieser Pflanze ziemlich giftig ist. Von dem schmalblätterigen Vitex- strauch hieß es einst, daß er die Sinnlichkeit unterdrücke, daher erhielt er seinen keuschen Namen: Vitex aMU8 «M8tu8. Die atheniensischen Frauen bestreuten mit Vitexblättern ihre Ruhelager zur Zeit der Thesmophorien, jenen mysteriösen Festen zu Ehren der Göttin Demeter, von denen alle Männer ausgeschlossen waren. Heute scheint der Vitox go-im8 «M8tu8 seine früheren Kräfte eingebüßt zu haben; nur seine scharf gewürzhaften Steinfrüchte gebraucht man im Süden noch häufig als Pfeffer. Der Oleander hat sich sogar einem noch weniger poetischen Verlangen anbequemen müssen, denn die Landleute um Nizza benützen seine gepulverte Rinde, um Ratten und Mäuse zu vertreiben.
Im Hotel Continental zu St. Tropez wird noch nach alter Art gelebt. Guter Tischwein steht zu gemeinsamer Benutzung auf der Tafel. Man fragt den Nachbar erst, ob er zu trinken wünscht, bevor man sich selbst einschenkt. Das Dienstpersonal wird in einige Verwirrung versetzt, wenn man nach der Weinkarte verlangt. — Da figurirten als Vorspeisen bei der Mahlzeit außer Salami, Oliven, Sardinen und anderen allgemein europäisch gewordenen Dingen, auch Seeigel, ein Leckerbissen, den ich bisher an keiner regelrechten „tadlo ä'üoto" gesehen hatte, und den ich auch gerne Anderen überlasse; er dient mir nur als Beweis, daß der Mensch das ärgste aller Raubthiere ist. Da werden Tausende weiblicher Seeigel gefangen, aufgebrochen und im Grunde genommen vergeudet: man wirft den ganzen Körper fort und verzehrt nur das bißchen Eierstöcke. Dabei wird eine ungezählte Brut zerstört. Diesen orangerothen, faden Schleimmassen konnten wir keinen Geschmack abgewinnen; doch darüber läßt sich ja streiten. — In wahres Entzücken wurden unsere Tischgenossen stets versetzt durch „lZouilladawo". — Nach dieser Speise sehnt sich stets der Provenqale, auch wenn er einen anderen Theil von Frankreich bewohnt. — Die Wirthin suchte es ihren Gästen an den Augen abzusehen, ob ihnen die Louillabawo schmecke; kann diese doch allein das Renommäe eines Hauses begründen. Wie sie uns servirt wurde, bestand sie aus Langusten und Seefischen. Die Wirthin machte aus deren Zubereitung auch kein Ge- heimniß. Sie habe, sagte sie, zunächst etwas Knoblauch, Lorbeerblätter und Weißen Pfeffer in Olivenöl in einer Kasserolle geröstet, dann ein Glas Weißwein darauf gegossen, die Langusten, Fische und soviel Wasser, daß sie bedeckt waren, dazu gethan, Alles mit Salz und Pfeffer weiter gewürzt, hieraus