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Deutsche Rundschau.
Dunkler Epheu rankt an den Stämmen in die Höhe, und üppige Waldreben verbinden die Baumkronen durch Helle Laubguirlanden. Dieses herrliche Bild verlockt uns, die Fahrt zu unterbrechen; wir steigen aus in La Gaillarde und setzen unseren Weg zu Fuß sort. Wir folgen dem Ufer. Die Strandkiefer taucht ihre Wurzeln fast in die Wellen; oft neigt sie sich über die Fluth, als wollte sie ihr Bild in der spiegelnden Fläche betrachten. Das Land wird hier geschmückt von der See mit einem Saum silberschäumender Wogen, dafür flicht ihr das Land einen Kranz aus immergrünem Walde. Zerrissene Felsen springen am Strande vor und verlieren sich weit in den Fluthen. Das Esterel ist uns ganz nahe gerückt. Es zeigt denselben reich bewegten Umriß, dem wir so gerne von Antibes aus folgten. Dieser Gebirgszug ist so schmal, daß die nämlichen Höhen von Osten wie von Westen das Bild bestimmen. In Antibes sieht man am Abend die Sonne hinter dem Esterel verschwinden; dann hüllen sich seine Gipfel in dunkelblaue Schatten und stechen mit scharfen Umrissen gegen den Abendhimmel ab. Hier sind sie jetzt mit Licht übergossen; die schwindende Sonne senkt ihre Strahlen in die Thäler hinein, sie gestaltet und modelt die einzelnen Berge, vergoldet die Gipfel, spart blaue Schlagschatten in den Tiefen aus, entzündet ganze Dörfer, wirft Irrlichter in die einzelnen Häuser hinein und taucht schließlich Alles in purpurne Gluth. — Hier bei St. Aigulf am Strande ließ sich Carolus Duran nieder, und der Ort ist Wohl angethan, eines Malers Seele mit farbigem Glanz zu erfüllen! — Plötzlich öffnet sich vor uns das weite, von dem Fluß Argens in zahlreichen Windungen durchströmte Thal, durch welches das Maurengebirge von dem Esterel geschieden wird. Der Teich von Villepey und die Windungen des Flusses glänzen wie metallene Spiegel. In Fräjus ertönen die Abendglocken; vom jenseitigen Ufer des Golfs sendet uns der Leuchtthurm von St. Raphael einen ersten blassen Strahl entgegen.
IV.
Wir wandern jetzt aus classischem Boden. Ist doch Frejus das alte Forum Julii, dem Julius Caesar den Namen gab. Augustus vollendete den Hafen und gab dem Orte einen Pharus. Agrippa ließ einen Aquaeduct und ein Amphitheater erbauen; siedelte hier Soldaten der achten Legion an, was zu der späteren Benennung Colonia Octavanorum führte. Die Stadt wuchs rasch in Größe und Bedeutung; sie maß fünftausend Schritte im Umfang. Der Hafen War so ausgedehnt, daß er im Jahre 31 v. Ehr. die zweihundert Galeeren aufnehmen konnte, die Octavian in der Schlacht bei Actium Antonius abgenommen hatte. Was für ein farbenprächtiges Bild mag das gewesen sein, als die Flotte des Antonius diesen Hasen füllte, als mächtige römische Bauten sich in seinen Wellen spiegelten und weithin sichtbar durch das Thal der Aquaeduct in kühnen Bogen den Bergen zueilte. — Frsjus blieb unter den Kaisern die wichtigste Flotteustation an diesem Gestade, dann aber begannen traurige Zeiten. Der Vnniis argsnteus, der heutige Argens, versandete langsam den Hafen. Im zehnten Jahrhundert konnten nur noch kleine Schiffe Zuflucht in demselben finden. Dann kamen die Saracenen und