Heft 
(1894) 82
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Botanische Streifzüge an der Riviera.

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schleiften 940 die Befestigungen der Stadt. Jrn fünfzehnten Jahrhundert wurde Frejus von Corsaren verbrannt, dann im sechzehnten Jahrhundert nochmals unter Carl V. geplündert. Der Hafen schwand allmälig, und an feiner Stelle bildeten sich weite Sümpfe aus, Welche mit tödtlichen Miasmen die Gegend erfüllten. Ein Bild solchen Elends fand Aubin-Louis Millin im Beginn dieses Jahrhunderts hier vor. Die Straßen waren leer, die Häuser unbewohnt, die wenigen Menschen, die man sah, gingen mit blassen fahlen Gesichtern, hohlen Wangen, eingefallenen Augen umher. Man meinte, in einem großen Krankenhaus zu sein.Wir nahmen Wohnung," schreibt Millin,in der besten Herberge; es war ein verpestetes und Ekel erregendes Haus, in dem man den Aufenthalt als Strafe betrachten mußte. Schrecklicher Schmutz herrschte in ihm. In schlecht gespülten Gefäßen wurde uns fauliges Wasser dargereicht; ganze Schwärme von Fliegen belagerten die mit ranzigem Oel bereiteten Speisen. Den Sümpfen entstiegene Mücken und Schnacken peinigten uns mit ihren Stichen; des Nachts wurden wir von nicht minder zudringlichen, aber noch ekelhafteren Thieren ausgezehrt. Unser Blut War in fortwährender Wallung. Es können hier wirklich nur solche Menschen leben, die an derartige Plagen gewöhnt sind; uns erschienen sie als das größte Un­heil, das einem menschlichen Wesen begegnen kann. Wir bedauerten, daß der Wissensdrang, der uns trieb, historisch berühmte Stätten aufzusuchen, uns an diesen elenden Ort geführt hatte, und wir wünschten denselben so bald als möglich verlassen zu können." Seitdem haben sich die Zustände in Frchus gebessert. Abzugscanäle sind entstanden, welche die Umgegend entwässern und dadurch gesünder machen; der Ort selbst ist zwar aus ein Fünftel seiner früheren Größe zusammengeschmolzen, sieht aber ziemlich freundlich aus. Wer freilich tieferen Eindruck von den Ueberresten aus der classischen Zeit erwartet, der wird enttäuscht fein. Es blieb nur wenig davon zurück, zu wenig, um Achtung zu gebieten oder gar künstlerisch anzuregen. Nur die zerrissenen Bogen des Aquaeducts draußen in den Feldern mit ihrem Schmuck von kletternden Pflanzen sind ästhetisch wirksam. Der Argens war fo fleißig bei der Arbeit, daß heute eine weite sandige Fläche Frchus vom Meere trennt; die Trümmer des alten römischen Leuchtthurms ragen jetzt anderthalb Kilo­meter vom Strande entfernt hervor aus dem Boden. So ist der alte Glanz von Frajus für immer geschwunden, und was von demselben zurückblieb, ver­mag aus uns durchaus nicht in der Weise wie die Denkmäler von Mmes und von Arles einzuwirken. Doch erhebt uns auch hier das Gefühl, classischen Boden unter den Füßen zu haben. Wir schauen dann hinaus in das blaue Mittelmeer, an dessen Usern jene mächtige Cultur erstarkte, welche die Welt erobert hat. So schließen wir im Geiste wieder enger an die Vergangenheit an: Wir werden uns bewußt, wie jene allgemein menschlichen Gedanken und Gefühle, die hier zum ersten Mal zur bewußten Empfindung und Gestaltung gelangten, auch heute noch unser Denken und Fühlen beherrschen.

Schon die Römer besuchten St. Raphaäl als balneare Station und hatten den Strand mit ihren Landhäusern belebt. Dann ließen sich die Tempelritter hier nieder und bauten jenen viereckigen Thurm, der auch heute noch die alte