Heft 
(1894) 82
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Botanische Streifzüge an der Riviera.

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mitten der Weißen Kämme. Da hinten in der See taucht plötzlich eine Herde von Delphinen aus den Wellen hervor. Sie zeigen zuerst ihren Kopf, über­schlagen sich säst in der Lust und schießen hinunter in die Tiefe. Sie bringen Humor in das großartige Schauspiel: sie sind die Clowns des Meeres.

Die Straße, die von St. Raphael in östlicher Richtung dem Meeresstrande folgt, führt an Landhäusern vorüber, die manchen bekannten Namen tragen. Da ist diemaison eioss", das geschlossene Hans, welches Alphonse Karr sich schuf, um der ausdringlichen Welt zu entgehen. Hier inOustalst <iou Oapslan" hat Charles Gounod sich abgesondert, und über der Eingangsthür liest man: I/iUustrs ruaitrs, Olmriss Oounoä eomxosa Uonwo st ^ulistts ä l'Oustalst äou Oapslan, an printsmps äs 1866", und Jules Barbier, sein Librettist, der nebenan ein Landhaus besitzt, fügte darunter hinzu:Hie Oivnni Uomso seripsit Oounock msus 1866. InZsnio dauä anneitia im;:ar." Gounod weilte mit Vorliebe in St. Raphael;ich finde hier", meinte er oft,den Golf von Neapel vor mit der Campagna von Rom im Hintergründe."

Ist die Lage von St. Raphael wirklich so schön, als es Gounod empfand? Ich kann das nicht behaupten, so wenig ich auch sonst diesem Ort den ihm zukommenden Reiz absprechen möchte. Mir fehlt hier der volle Blick aus das Esterel, und ich fühle mich nicht hinlänglich dafür entschädigt durch die Aus­sicht aus das Maurengebirge und jenes Thal des Argens, das Gounod mit der Campagna von Rom vergleicht. Lieber würde ich doch dem Beispiel von Carolus Duran folgen und mich dort drüben in St. Aigulf niederlassen, an dem waldigen Strande, von dem aus man am Abend das zackige Esterel in Purpur leuchten sieht.

V.

Hingegen bildet St. Raphael einen vorzüglichen Standort für Ausflüge in das Esterel-Gebirge. Und dieses Gebirge ist sicher des Besuches Werth; es gehört zu den Juwelen der Riviera: sein malerischer Reiz wird durch die Porphyre bedingt, die als nackte Felsenmassen dem Boden entsteigen. Um diese Porphyre und anderes eruptives Gestein sind Schiefer emporgerichtet. Allseitig wird das Esterel durch tiefe Thäler von den Alpen und durch das Thal des Argens auch von dem Maurengebirge getrennt. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts wagte man sich nur mit Schrecken hinein, jetzt wandelt man hier sicherer als in den Anlagen mancher großen Stadt. Unser erster Besuch sollte dem höchsten Punkt des Gebirges, dem Mont Vinaigre gelten, dessen Gipfel sich 616 m hoch über den Meeresspiegel erhebt. Wir hofften von dieser Höhe das ganze Esterel zu überblicken und wollten dort unseren Plan für weitere Ausflüge entwerfen. Wir brachen von St. Raphasl auf, als der Morgen graute. Der Weg führte gegen Norden zunächst nach Valescure. Dort am Abhang der Berge, in dem kühlen Walde, pflegten schon römische Familien den Sommer zu verbringen, wenn die Hitze des Tages in Forum Julii unerträglich wurde. VaUis eurans, das Thal, welches Genesung bringt, muß, wie sein Name sagt, als besonders gesunder Aufenthaltsort gegolten haben. Diesen alten Ruf möchte man auch heute noch ausnutzen und durch