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Deutsche Rundschau.
den verheißungsvollen Klang des Namens neue Bewohner hier anlocken. Man wandert in Valescure auf fertig angelegten Straßen, „Oraints Loul6varä8" mit hochtönenden Namen; der Wald ist in Parkanlagen verwandelt; große Hotels hoffen auf Gäste, Musikpavillons warten auf Musikanten. Doch die Besucher bleiben noch aus. Woher auch sollen sie kommen, diese Millionäre, um allen Grundstückspeculanten zu Gefallen die ganze Riviera von Toulon bis Ventimiglia mit Villen zu bedecken? Mit dem Augenblick, wo der Bau der Südbahn beschlossen war, bemächtigten sich Aktiengesellschaften aller Punkte am Strande, die durch schöne Aussicht, aller Punkte auf der Höhe, die durch gesunde Lage, Kiesernadeldust, oder sonst welche Vorzüge sich auszeichnen. Auch in St. Aigulf drüben im Maurengebirge ist der Wald schon parcellirt, lausen „Orauäs Loulsvuräs" durch denselben und sind nicht allein mit schönen Namen, sondern auch mit Laternen versehen. Den Laternen freilich fehlen die Scheiben; gebrannt hat noch keine; manche warf der Sturm, manche auch Menschenhand schon um; nun liegen sie da und rosten, ein trauriges Bild des Todes dort, wo niemals Leben war. Dazwischen in möglichst auffälliger Stellung große Tafeln mit bunten Inschriften und Plänen, die zum Ankauf der Grundstücke verlocken sollen. — Wird Valescure jemals gedeihen? Es ist Wohl möglich — einen Anfang von Erfolg hat es schon zu verzeichnen: „Im uatnro 8övors ot riants, I'oäeur äas xius agröable 6t 8a1ntwr6", wie Stoppen Liegeard den Ort preist, hat bereits die Künstlerin der „Oomociw trautzwso" Suzanne Reichemberg und die nicht minder berühmte Sängerin der Pariser komischen Oper Miolan Carvalho veranlaßt, sich hier anzusiedeln. Der Ort ist an- muthig, dicht von immergrünem Wald umhüllt, mit heiteren Ausblicken in das Meer und das Gebirge: trotzdem athmeten wir freier auf, als wir die „Erausls LoulovaräZ" verlassen hatten und uns in einer von der Speculation weniger übertünchten Natur bewegten. — Die Sonne ging in blaugrauem Nebel als rothe strahlenlose Scheibe auf; dann tauchte sie aus dem Nebel hervor und strahlte hell an wolkenlosem Himmel. Die Erde schien jetzt von Licht überströmt. Bald betraten wir jene ausgedehnten Wälder, welche das Esterel fast ganz bedecken. Einst hatten sie oft vom Feuer zu leiden; statt grüner Laubkronen starrten verkohlte Skelette den Wandrer an. Jetzt sind die Wälder Staatseigenthum geworden und erfreuen sich so sorgsamer Pflege, daß sie fast den Eindruck großer Parkanlagen machen. Die dunklen Strandkiesern (kinn8 kilmMor) wiegen bei Weitem vor: sie schließen ihre Kronen oft so dicht zusammen, daß kaum ein Sonnenstrahl durch das Dickicht dringt. Vorzügliche Kunststraßen führen durch den Wald, und bis aus den Gipfel der Berge gelangt man aus gut gehaltenen Wegen. Ausfallend genug sieht man eine weite Kunststraße oft ganz plötzlich enden, wenn sie die Grenzen des Gebirges erreicht. Da hört das Departement der Forste nämlich auf, und es beginnt dasjenige der Brücken und Chausseen. Die beiden Ministerien arbeiten sich, wie es scheint, nicht immer in die Hände. Nach Wegweisern sieht man sich leider vergebens im Esterei um, und wo mehrere Straßen sich schneiden, bleibt man aus seine Orientirungsgabe ganz angewiesen. Die besten Karten der Gegend, die wir uns zu verschaffen vermocht, Karten, welche das Ministerium