Botanische Streifzüge an der Riviera.
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verzweifeln konnte. Manch edel angelegter Mensch mochte glauben, daß sein ethisches Ideal innerhalb einer solchen Welt nicht zu verwirklichen sei, und suchte es darum in der Weltentsagung. Solches ideale Streben, das mit dem Opfer der eigenen Person verbunden ist, zwingt uns Wohl Bewunderung ab; menschlicher muthet uns ein späterer Einsiedler vom Berge des Cap Roux an, Namens Laurentius Bonhomme, der dort die zweite Hälfte des siebenten Jahrhunderts verlebte. Er betrieb allerhand kleines Gewerbe, war immer fleißig bei der Arbeit, züchtete Bienen, verwerthete deren Wachs und Honig, und das Geld, das er verdiente, vertheilte er unter die Armen. Er schloß sich von den Menschen nicht ab, wanderte auch nicht selten nach Fräjus, gefolgt von einem Reh. Der Bischof ließ sich das Reh von ihm schenken; es blieb in Fräjus zurück. Später nun, als Laurentius wieder einmal nach Fräjus gekommen war und vor dem bischöflichen Palaste ein Gespräch führte, hörte das Reh seine Stimme, sprang aus einem Fenster des Palastes auf ihn zu und leckte ihm die Hände. Da fühlte der Mann sich glücklich, er empfand „w donüsur cku parwit solitaire", wie es in der Erzählung heißt. So auch war seine Einsiedelei stets von zahlreichen Vögeln umgeben, die er zu Zeiten der Dürre in den Vertiefungen der Felsen mit Wasser tränkte. Eines Tages überraschte er Diebe, die ihm seine Bienenstöcke geraubt hatten. Erschrocken sahen die Misse- thäter ihn nahen. Er aber trug ihnen auch noch die übrigen Bienenstöcke nach und rief ihnen zu, sie hätten die besten vergessen. Solche unerschöpfliche Güte rührte das Gemüth der Missethäter: sie besserten sich von dieser Stunde.
(Schluß des Artikels im nächsten Hefte.)
Deutschs Rundschau. XXI, 5.
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