Weine persönlichen Lrinnerungen an Anton Aubinstein.
Nebst Briefen.
Von
Julius Rodenberg.
^Nachdruck untersage
Zu London war's, im Mai des Jahres 1858, daß ich Rubinstein zum ersten Male sah. Wer ihn nur in seinen späteren Jahren gekannt hat, wird sich schwer einen Begriff davon machen, wie schön er damals war. Denn Rubinstein ist sehr srüh gealtert, und wenn auch das Titanenhafte seiner Natur ihn bis zuletzt nicht ganz verließ, so hatte sich seiner doch eine gewisse Müdigkeit bemächtigt, die seiner Erscheinung etwas Schwerfälliges gab. Am Flügel und am Dirigentenpult flammte das alte Feuer noch immer wieder in ihm auf; aber wenn er vom Podium Herabstieg, bemerkte man die Gebrechlichkeit dieser imposanten Gestalt. Er, wenn irgend Einer, wirkte durch die Macht seiner Persönlichkeit; aber der große, nagende Kummer seines Lebens war, daß ihm eine gleiche Wirkung der unpersönlichen Kunst versagt geblieben. Die höchsten Ziele hatten sein schöpferisches Wollen und Können, sein Ehrgeiz sich gesteckt; aber er hat sie niemals ganz erreicht — immer kam er bis dicht heran, und immer war es nur noch ein, der letzte Schritt, der daran gefehlt. Kein rauschender Triumph des Augenblicks, kein äußeres Zeichen der Berühmtheit, nicht das bewundernde Aufblicken der Menge, Wo immer er sich zeigte, nicht alle Ehren der Welt, die sein Haupt bedeckten, haben ihn darüber getäuscht. Auf Aeußer- lichkeiten dieser Art gab er nichts. Wiewohl geadelt, russischer Staatsrath und Excellenz, blieb er im persönlichen Verkehr doch immer nur der Anton Rubinstein; und nur ein einziges Mal in den sechsunddreißig Jahren unserer Bekanntschaft habe ich ihn im vollen Ordensschmuck gesehen, mit all' den Bändern und Sternen auf der Brust, dem xour io nwrits am Halse, als er von einem Hofballe kam, zu dem er befohlen worden war. Wie gern hätte er all' diesen Staat dahingegeben für einen einzigen wirklichen und dauernden Erfolg — für „eine kleine Gemeinde", wie er einmal in der Bitterkeit