Heft 
(1894) 82
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Meine persönlichen Erinnerungen an Anton Rubinstein.

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drückte, dann aber auch, namentlich im zweiten Act, die Längen unruhig empfand. Besonders mißfiel ihm der große Marsch im dritten Act.Den muß er ändern!" sagte Rietz ein über das andere Mal;er muß einen neuen dafür componiren! Er kann es ja; ihm strömt ja die Musik nur so zu!" Wirklich stellte die Generalintendanz dieses Ansinnen an Rubinstein, und dieser ging zuerst auch darauf ein. Dann aber lehnte er ab, ebenso wie er sich auch nicht zu Kürzungen verstehen wollte. Wie's sei, so sei's nun ein­mal; er könne weder davon noch dazu thun. Rnbinstein konnte nicht streichen. Unermüdlich bei der Arbeit, voll Ernst und Eifer, so lang sie ihn beschäftigte, war es ihm unmöglich, sie wieder vorzunehmen, sobald er mit ihr abgeschlossen. Er wollte Neues, immer Neues.

Indessen konnte ich ihm doch der Wahrheit gemäß von dem tiefen Ein­druck schreiben, den sein Werk in Dresden gemacht und nicht am wenigsten, man begreift es, auf mich, dessen Gedanken beim Zauber dieser Melodien gen Süden schweiften, an das Gestade der Adria, nach dem Lande meiner Sehn­sucht, das ich bald, und nicht allein mehr, betreten sollte.

Zu der Zeit schrieb mir Rubinstein aus Petersburg, 4. April 1863:

Mein lieber Rodenberg!

Ich kann von hier erst Hälfte Juni loskommen und werde müssen meistens in Deutschland sein möchte gerne mit Ihnen Zusammentreffen, aber wo? und Ende August muß ich wieder hier zurück sein und möchte doch dasHohe Lied" haben, und es womöglich im nächsten Winter componiren! wie machen wir das! um Ihnen ans Ihrem Liebessrühling zu folgen, ist das möglich?

Liebende sind Todte für die übrige Menschheit, und die reiten schnell-wie

machen wir das? jedenfalls ist es besser, daß wir bei der Arbeit zusammen sind also schreiben Sie mir noch einmal, wann und wo Sie in Deutschland in den Monaten Juni, Juli und August zu sein gedenken und da suche ich Sie aus.

Von Hülsen habe ich nichts erfahren, also scheint es doch nicht, als wolle er denFeramors" haben, denn sonst müßte er von mir die Partitur verlangen H.

Die Oper von Davids hat mir inehr geschadet, als ich es Anfangs glaubte, die meisten deutschen Bühnen werden sie bringen- ich habe Pech mit meinen Opern was ist zu machen, immer draus tos, Neues schreiben haben Sie etwas? es würde mich sreuen. Doch nun nicht mehr lyrisch nein, hochdramatisch muß es sein das wird Ihnen jetzt nicht gelingen doch ich warte gern (zeigen Sie diese Stelle nicht Ihrer Frau Gemahlin).

Also vielleicht aus Wiedersehen wenn nicht, so machen Sie mir dasHohe Lied" fertig und schicken es mir Aenderungen, sollten welche nöthig sein, werden wir per Korrespondenz vornehmen.

Meine besten Grüße und Glückwünsche zum Sommerausenthalt rc.

Ihr Ant. Rubinstein.

In diesem Sommer begegneten wir einander nicht; aber ich erinnere mich des Tages, wo ich, über die Alpen heimkehrend (und damals noch in der Post über den Gotthard), in Brunnen am Vierwaldstätter See den nachstehenden Brief empfing:

9 In der Thal istFeramors" im Berliner Opernhaus erst viel später, im Jahre 1879 aufgesührt worden.

9 Sie erschien fast gleichzeitig mit Rübinstein's Werk und, nach Paris zuerst, wenn ich nicht irre, auf dem Kürnthnerthor-Theater in Wien.