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Deutsche Rundschau.
12. d. M. anzukommen hoffe, ernstlich berathen. — Vielleicht haben Sie bis dahin schon Etwas gefunden. —
Mein lieber Feramors hat hier kein Glück gemacht, und wird die Direktion viel „vis artistiea" besitzen muffen, um die Oper auf dem Repertoire zu halten — ich glaube sogar annehmen zu können, daß sie nicht mehr gegeben werden wird. —
Die meiste Schuld daran muß ich mir selbst zuerkennen, da ich erstens refusirt habe, die Oper selbst zu dirigiren, was zu vielen Mißverständnissen in Tempo und Ein- studirung geführt hat, und zweitens auf eine Rollenbesetzung bestanden habe, die sich als ganz verfehlt erwiesen hat— so ist der Fad lad in ganz verloren gegangen, und der Feramors sehr unzureichend ausgefallen, die Hafifa war von vornherein als geopfert anzusehen, da für diese Rolle hier keine Wahl ist, und nur eine Künstlerin es ansführen konnte, die aber von Natur dumm, unbeholfen, schwerfällig ist — und obwohl die Ausstattung eine zauberhafte, das Orchester und die Chöre untadelhaft, dieLalla Rookh und Chosru gut waren, war doch das Ganze verfehlt — es thut mir sehr leid, da ich die Oper trotz alledem sehr liebe. — — Uebrigens kommen zu dem Falle noch andere Gründe von Bedeutung — so hat der Wagner- Verein eine demonstrative Opposition in die Oper geschickt, dann hat die Kritik, mit der ich überhaupt aus schlechtem Fuße immer und überall stehe, die Gelegenheit benutzt, um mich die ganze Schwere ihres Armes fühlen zu lassen und außerdem ist das Publicum setzt durch alle die Broschüren über Oper und Drama, über Principien, neue Bahnen, Zukunft und wie alle diese Phrasen noch klingen mögen, so irre geleitet, daß ein harmloses, rein lyrisches, fpecififch musikalisches Werk und noch dazu von einem jüdisch-russischen Komponisten, die Leute vollkommen kalt lassen muß, oder von Vorneherein zur Opposition stimmt. — Die Zeit ist eine böse — aber ich lebe in der lleberzeugung, daß es eine binnen kurz oder lang vorübergehende ist, und dann wird mein Feramors zu seinem Recht gelangen — es müßte denn sein, daß die Menschen sich nie mehr an einer einfachen Melodie, schön vorgetragen, werden erfreuen können — dann freilich wehe der Musik, wehe dem Musiker, und am wehesten mir. — — — - —
Leben Sie wohl, ans baldiges Wiedersehen rc. Ihr
Ant. Rubinstein.
Das, was Rubinstein in diesem und dem nächsten, gleichfalls noch aus Wien, 7. Mai 1872 dativten, Brief über die „Wahlverwandtschaft des „Hohenliedes" mit „Feramors" bemerkt, schien mir rein äußerlich zu sein, da wir ja das Schwergewicht darauf gelegt hatten, daß der König entsagt, und es gelang mir schließlich auch, Rubinstein davon zu überzeugen, wenn nicht durch das Scenarium, doch später durch das Gedicht selber. Er schrieb:
Lieber Rodenberg!
Ich stimme jetzt entschieden für den Plan von Um breit*) oder Renan — nämlich die Entführung Sulamith's, ihre Sehnsucht nach ihrem geliebten Schäfer und das Freigeben durch Salomo — man gewinnt mehrere Semen von großer Wirkung, so ihr nächtliches Suchen des Geliebten, und die Schläge? die sie bekommt von der Nachtwache H — ihr Sehnen — sehr musikalische Stimmung rc. rc.
Ich wäre jedenfalls für das Hochzeitsgedicht, wenn nicht die Wahlverwandtschaft mit Feramors mich davon abwiese. —
Aus baldiges Wiedersehen Ihr
Ant. Rubinstein.
Denken Sie auch an Hiob, zwei Acte mit Prolog im Himmel. —
st Lied der Liebe. Heidelberg 1828.
st Cap. ö, V. 7: „Es fanden mich die Hüter, die in der Stadt umher gehen, die schlugen mich wund."