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Deutsche Rundschau.
Herr Arnould (Matthäus) in eigener Person. Frau Blawazki hat unseres Wissens — nur eine selbständige Schrift, die „Isis äevoUeo" hinterlassen.
Anspruchsloser und „volksthümlicher" als das Gebühren der Theosophen- gesellschast erscheint das Auftreten einer specisisch französischen, aus Südsrankreich nach Paris übergesiedelten kleinen Secte, der um das „neue Karmel" gescharten Vintrasisten. Pierre Michel Vintras, ein armer Fabrikarbeiter zu Tilly-sur-Senlis, bildete sich aus Grund einer ihm am 6. August 1839 gewordenen „Erscheinung" des Erzengels Michael ein, der reincarnirte Prophet Elias zu sein, Einblick in alle Geheimnisse dieser und der anderen Welt gewonnen und den Auftrag erhalten zu haben, der Wiederkehr des heiligen Geistes die Wege zu bereiten. Unter dem Namen Stratanael begründete dieser Unglückliche eine zumeist aus Arbeitern gebildete, in Lyon besonders populär gewordene Gemeinde, die in der französischen Geschichte und Literatur keine Spur hinterlassen hat, nichtsdestoweniger aber noch heute fortbesteht und sich unter Anderm rühmt, die Lehre von der unbefleckten Empsängniß früher als die katholische Kirche gepredigt zu haben. Vintras, von dem wenig mehr mit- getheilt wird, als daß er ein Genosse Naundorff's (des vermeintlichen Ludwig's XVII.) gewesen, daß er wegen einer bei zwei Anhängerinnen gemachten Anleihe zu fünf Jahren Gefängniß verurtheilt und während seiner in Rennes verbrachten Haftzeit von seinen Anhängern an den verschiedensten Orten „geschaut" worden sei — Vintras ist seit mehreren Jahrzehnten todt, sein Nachfolger Abbs Boullan hat gleichfalls das Zeitliche gesegnet, die Gemeinde der Vintrasisten hat diese Schicksalsschläge indessen überstanden und sich in eine Anzahl rivalisirender Fractionen getheilt, die zu Paris in der Rue St. Anne, in der Nähe des Luxembourg, außerdem aber zu Lyon, in der Vorstadt Montplaisir, Rue la Martinibre, Versammlungsorte und Altäre besitzen. Als Oberpriefter des neuen „Karmel" hat eine Weile ein Herr Rou de Fort fungirt, dessen Wittwe das Geschäft noch gegenwärtig fortsetzt. — Trotz der Theilnahme einzelner Hochgebildeter an dem tollen Wesen (ein „Duc de Parme" soll zeitweise als Priester celebrirt haben) stellt dasselbe sich wesentlich als Pöbelwahn dar, der sich trotz der sonstigen Vorherrschaft revolutionärer und atheistischer Ideen in gewissen Arbeiterkreisen zu behaupten gewußt hat.
Wenig anders scheint es um eine weitere specisisch Pariserische Blase modernen Köhlerglaubens zu sein, den von einigen alten Weibern getriebenen „Cultus des Lichts", eine Veranstaltung zur Bekämpfung der Hexen- und Teufelssabbathe, die angeblich noch gegenwärtig ihr höllisches Wesen treiben und nach der Meinung einer Pariser Erleuchteten unter Andern Bismarck zu ihren Teilnehmern zählen. Was über die Prophetin dieses Unsinns, Frau Lucie Grange, und über das im Dienste derselben stehende Medium, „Mr. Christian, genannt Hiob" berichtet wird, gemahnt an die abenteuerlichsten Geschichten aus dem elastischen Zeitalter des Hexenwesens H.
9 „Eines Abends," so erzählt Frau Grange, „sah ich Bismarck schwarze Magie treiben und die Menschen aus der Entfernung quälen und tödten. Mein Hausgeist Hermuet sagte mir indessen, er werde bestraft werden, und in der That sah ich nach einiger Zeit, daß deutsche Winzerinnen, die ihn nicht kannten, mit Bismarck ihren Spott trieben, ihm Trauben ins Gesicht warfen, ihm ihre Körbe aufstülpten n. s. w."