Heft 
(1894) 82
Seite
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Kleine Religionen unserer Tage.

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nähme an der Testamentsvollstreckung ablehnten, versteht sich von selbst. Ge­wisse Subalternverehrer des Autors derLsllgion cla IRumamta" ließen sich dagegen nicht nehmen, den letzten Willen desselben nach Möglichkeit in Aus­führung zu bringen und die einzelnen darin vorkommenden Ungeheuerlichkeiten umzudenten. In Amerika trat ein vr. Abbot, in England ein Mr. Congreve, in Frankreich der genannte Robinet an die Spitze der Comte-Gläubigen. Die Pariser Humanitätsgemeinde wird gegenwärtig von einem Chilener, Nagurigue, periodisch in der Rue de Jacques 155 vereinigt. Den Schmuck des Zuhörer­raumes bilden eine Photographie der Raphaelischen Sixtina (mit der Unter­schriftüuumnits"), Bildnisse Comte's und der Madame de Vaux, sowie Porträts von Karl dem Großen und von Descartes, die als Heilige des Humanitätskalenders angesehen werden. Ueber der für den Sprecher bestimmten Estrade prangt eine Büste desMeisters", unter welcher die WorteFamilie, Vaterland, Menschheit" gemeißelt sind. Als eigentliches Heiligthum der Secte wird Comte's einstige Wohnung (Rue Monsieur le Prince 10) angesehen, zu welcher noch gegenwärtig englische Anbeter desgroßen Mannes" Wall­fahrten und die (testamentarischer Bestimmung nach) genau in dem Zustande erhalten worden ist, in welcher sie sich bei Comte's Tode, das heißt vor acht- nnddreißig Jahren befunden.

Nach Versicherung der Comte-Adepten hat der demEwig-Weiblichen" bezw. der Madame de Vaux gewidmete Cultus eine wesentlich symbolische Bedeutung. Comte, der in dieser Geliebten die Jncarnation idealischer Weib­lichkeit, in der Weiblichkeit die reinste Menschlichkeit sah, Pflegte während der letzten Jahre seines Lebens, nachdem er zuvor im Thomas a Kempis und Dante gelesen, täglich zwei Stunden dem Gebet, d. h.der Ausströmung von Gefühlen zu widmen, die in uns die Ideen der Liebe und Anhänglichkeit in dem Bilde der Mutter, der Gattin und der Tochter Wecken". Davon ausgehend, daß der Fortschritt der Menschheitvon der Bändigung der Kraft durch die Liebe" abhänge und die Frauen pur exeollenea Trägerinnen der letzteren seien, verlangte Comte von seinen Anhängern die Nachahmung dieses von ihm selbst vor dem Altar" (d. h. dem rothen Lehnstuhl der Madame de Vaux) geübten täglichen Cultns. Im Uebrigen schrieb er neun sogenannte Sacramente vor: Darbringung der Kinder (an Stelle der Taufe), Initiation (Uebergabe des Kindes an die Priesterschule), Admission zum Humanitätsdienst (im einundzwanzigsten Lebensjahre), Destination (Antritt eines Berufs im achtundzwanzigsten Lebensjahre), Heirath, Maturität (im zweiund­vierzigsten Lebensjahre), Rückzug (im zweiundsechzigsten Lebensjahre) und Er­wählung eines Nachfolgers, Transformation (beim Herannahen des Todes vermischt die Priesterschaft ihre Thränen mit denjenigen der Familie") endlich eine sieben Jahre nach dem Ableben derGerechten" zu vollziehende Nieder­legung ihrer Gebeine in dem den Humanitätstempel umgebenden heiligen Haine (ineorporMion granä otra").

Die von Comte hinterlassenen Bestimmungen über Einrichtung des Humani­tätstempels und seiner Appertinentien dürfen dem Leser erspart bleiben, da die Ausführung derselben ein frommer Wunsch geblieben ist. Wie man sieht,

Deutschs Rundschau. XXI, 5. 18