Heft 
(1894) 82
Seite
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Kleine Religionen unserer Tage.

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habe und östlich vom Todten Meere angesiedelt gewesen sei. Seit der Zer­störung Jerusalems ist diese Genossenschaft so spurlos verschwunden, daß allen bezüglichen Untersuchungen zum Trotz die Versuche, Elemente des Essenismus in Erscheinungen der ältesten kirchlichen Zeit, z. B. in der Elkesaitischen und der Pseudo-Clementinischen Lehre nachzuweisen hypothetisch geblieben sind. Die Pariser Neu-Essener haben sich dadurch nicht abhalten lassen, ein sinn­loses System der ihnen angeblich überkommenen Geheimlehre vorchristlichen Datums auszustellen: sie verehren Gott alsVater und Mutter" der Mensch­heit, sie sehen Jesus als den männlichen, Jeanne d'Arc als den weiblichen Messias an (M. daß der Apostel Paulus nachdrücklich perhorrescirt wird, dürse aus dessen mulisr taesat in 6eel68ia zurückzusühren sein) sie glauben an die Reincarnation Verstorbener und an einen Verkehr mit denselben, an die Endlichkeit der Höllenstrasen und an die besondere Strafbarkeit der Grau­samkeit gegen Thiereees üunmins en kormatlonN Eva soll,weil sie aus Liebe zu Adam gesündigt", an dem Sündenfall minder schuldig gewesen sein, als ihr Gatte; demgemäß wird die Wiederherstellung derarg verleumdeten" Frau als eine der Hauptaufgaben der Zukunft bezeichnet u. dgl. mehr.

Verglichen mit der Kühnheit, hypermoderne Einfälle so kindischer Art auf eine Verbrüderung zurückzuführen, deren letzte Spur vor achtzehnhundert Jahren verloren gegangen ist, stellt sich das von einer anderen Gruppe zeitgenössischer Phantasten versuchte Unternehmen einer Restauration der früh-christlichen Gnosis minder widersinnig, dar, als es an und für sich ist. Aus eine solche Restauration aber ist es allen Ernstes von demPräsidenten der gnostischen Synode", Herrn Drinel, und dessen Genossen abgesehen. Ausführ­lich hat dieser, aus Orleans stammende gelehrte Archivar dem Verfasser unserer Schrift die dem zweiten Jahrhundert angehörige, von dualistischen Voraus­setzungen ausgehende gnostische Lehre von der Weltschöpfung durch den Demiurgen (einen untergeordnetenAeon" des wahren und höchsten Gottes) vorgetragen und als aller Weisheit letzten Schluß bezeichnet; dabei übrigens den Jrrthum begangen, sich auf das Zeugniß Ephraim's des Syrers, eines katholischen Kirchenvaters und eifrigen Gegners der gnostischen Ketzereien, zu berufen. Herr Drinel behauptet,Valentinianer" zu sein, d. h. den Fuß­stapfen des geistreichsten der heidenchristlichen Gnostiker (um 140 n. Ehr.) zu folgen, verwandelt dabei aber in willkürlichster Weise die von diesem Zeit­genossen Justin's des Märtyrers angenommenen drei Typen der menschlichen Rasse (Hyliker Meischesdiener), Psychiker und Pneumatiker) in aussteigende Classen der gnostischen Verbrüderung, indem er zugleich drei Sacramente (Consolamentum, Brodbrechung und Appariementnm) annimmt, von denen die Valentinianische Lehre schlechterdings nichts weiß. Was über denClerus" der neugnostischen Seele und über deren Gottesdienste berichtet wird, nimmt sich so phantastisch aus, daß mindestens ein Theil dieser Dinge (z. B. die Behauptung, daß zahlreiche katholische Geistliche geheime Anhänger der Gnosis seien und daß ein daraus bezüglicher Bericht im Jahre 1891 dem Papste unterbreitet worden) lediglich in der Einbildung Drinel's existiren dürften.

Zusammenhänge mit den Gnostikern der alten christlichen Zeit werden übrigens

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