Heft 
(1894) 82
Seite
281
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Heinrich von Sybel's Geschichte der Begründung des neuen Deutschen Reiches. 281

ließ und auch die Uebrigen zu maßvollen Erwägungen zurückzuführen wußte. Indem nur das Unerläßliche gefordert und Alles vermieden wurde, was die Gefühle Oesterreichs, Sachsens und der Südstaaten stärker verletzen konnte, in­dem mit aller Klarheit betont und mit Thaten gezeigt wurde, wie man sich aufrichtig der Hoffnung hingebe, daß nach der Beseitigung des unseligen Streites die Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande alle Hindernisse überwinden werde: so nur gelang es, die Verträge abznschließen, welche die Grundlage bildeten, auf der der norddeutsche Bund und weiter auch das Deutsche Reich errichtet wurden. Wie das geschah, macht den Inhalt der neuen Bände aus.

In der Vorrede des sechsten Bandes theilt Shbel mit, daß ihm einige Monate nach dem Rücktritt des Fürsten Bismarck die Erlaubniß entzogen sei, die Acten des Auswärtigen Amtes für sein Werk zu benutzen, und er habe zunächst geglaubt, daß er nun aus die Fortsetzuug verzichten müsse. Indessen erwog er, daß bereits reiches Material im In- und Auslande durch den Druck aller Welt zugänglich gemacht sei, und daß er die zu erzählenden Ereignisse nicht nur selbst erlebt, sondern unter den günstigsten Verhält­nissen erlebt habe, daß er endlich zahlreiche Personen kenne, die an den Ge­schäften Antheil gehabt hatten und aus Papieren und Erinnerungen aus seine Fragen Auskunft geben könnten. In solcher Erwägung wagte er die Fortsetzung und schenkte uns ein Werk, welches die früheren Bände in würdigster Weise zum Abschluß bringt, aber hoffentlich nur zum vorläufigen. Sollte es nicht möglich sein, in dem bisherigen Rahmen und nach dem bis­herigen Plane die Geschichte der siebziger Jahre zu schreiben, so mag es unter anderem Titel geschehen; aber dringend erhebt sich der Wunsch, der Verfasser möge die Feder jetzt nicht niederlegen. Es wäre ein schwerer Verlust, wenn uns dieser sichere Führer hier verlassen wollte. Darüber, daß ihm die Be­nutzung der Acten des Auswärtigen Amtes versagt wurde, kann ich nur leb­hafte Klage erheben. Nicht als ob die Darstellung sonst wesentlich anders ausgefallen wäre. Es ist wirklich bereits so viel bekannt gegeben auch von den geheimen Verhandlungen in den Depositionen der Lngubts Unrlmnsntairo, in den Schriften, durch welche Beust, Gramont, Ollivier u. s. w. sich zu recht- fertigen suchten, in den Erklärungen der Staatsmänner im gesetzgebenden Körper, in den österreichisch-ungarischen Delegationen, in dem norddeutschen Reichstag, in dem Zollparlament, in den Landtagen u. s. w., daß über die wichtigsten Dinge kein Zweifel bleibt. Freilich würde sich manches noch be­stimmter aufklären lassen, wenn die Acten unseres Auswärtigen Amtes zu­gänglich geblieben wären, und vor Allem, es fiele der Verdacht fort, der sich jetzt einnisten wird, als sei da allerlei zu verbergen. Die Hauptsache bleibt, daß sich Sybel nicht hat abschrecken lassen und daß er uns das Verständniß der an inneren Kämpfen und an verwickelten Verhandlungen mit den europäi­schen Mächten, wie an großen Werken der Gesetzgebung reichen Jahre 1866 bis 1870 so vortrefflich erschlossen hat. Um den Fortschritt der Forschung zu erkennen, vergleiche man z. B. nur die entsprechenden Abschnitte von Sorel's doch so ausgezeichneterNistoirs cUplonmtigus" mit Shbel's Erzählung vom Ursprung des Krieges. Nebenher sei bemerkt, daß auch ein äußerlicher Mangel Weg-