Heft 
(1894) 82
Seite
285
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Heinrich von Sybel's Geschichte der Begründung des neuen Deutschen Reiches. 285

und Ansprüche Deutschlands gewahrt hat, und wie er die Verleumdung ertrug, ohne sich zum Kriege drängen zu lassen, trotzdem er die beste Zuversicht hatte, daß wir ihn siegreich bestehen würden, dann überkommt einen eine stille Freude, daß die Kraft zum Guten in der Welt doch unendlich viel stärker ist, als man glauben möchte, wenn man die Gemeinheit sich breit machen und die Lüge und das Gaukelspiel triumphiren sieht, jene stille Freude, die die eigent­liche Speise der Seele ist.

Der siebente Band gliedert sich wieder in zwei Bücher, das dreiundzwan­zigste und vierundzwanzigste des ganzen Werkes, und ist ein wenig stärker als der sechste. Das dreiundzwanzigste behandelt die Beziehungen von Deutschland und Frankreich 1868 und 1869. In dem ersten Capitel sehen wir die Oppo­sition des Particularismus unter der Führung des Freiherrn von Thüngen, und hören den gewaltigen Völk von Augsburg von der Tribüne donnernd verkünden, daß jene Herren nicht berufen seien, im Namen Süddeutschlands so zu zetern:noch haben einige Leute Vergnügen daran, sich mit Schnee­ballen zu bewerfen, aber die Sonne wird mit wachsender Wärme ihnen das Material bald verzehren; ja, meine Herren, es ist Frühling geworden in Deutsch­land." In Frankreich überhörte man den Jubel, der bei dieser und bei ähn­lichen Reden das Haus durchbrauste, hielt sich lieber an die Klagen und Schmähungen der Particularisten. Das zweite Capitel zeigt uns die Schwan­kungen der französischen Politik, die Versuche Napoleon's, durch liberale Con- cessionen und zugleich durch ein Bündniß mit Oesterreich und Italien seiner Dynastie den Thron zu sichern. Das dritte Capitel umfaßt unter dem Titel: Weltbürgerliche Bestrebungen" die communistische Bewegung und die clericale Erhebung, den Erlaß des Syllabus, die Anathematisirung der österreichischen Verfassung durch Pins IX. und die Berufung des vaticanischen Concils. Das vierte Capitel gibt die parlamentarischen Kämpfe im Bundestag und im Reichs­tag 18681870, Kämpfe, die zu dramatischen, an die Conslictszeit erinnernden Scenen führten. Mit besonderer Liebe hat Sybel hier die Charakteristik Lasker's (VII, 186) entworfen, ohne aber zu verhehlen, daß sein Antrag aus Badens Eintritt in den norddeutschen Bund zur Unzeit kam. So lebhaft aber auch diese parlamentarischen Kämpfe waren, im Ganzen hatte der Reichstag von 18691870 in hohem Maße befriedigende Ergebnisse. Sehr wirksam schließt Sybel das Capitel mit den Worten, mit denen König Wil­helm am 26. Mai 1870 dies in der Thronrede anerkannte, und diese Thatsache zerstört die auch von einem so ernsthaften Forscher wie Sorel verbreitete Le­gende, Preußen hätte 1870 den Krieg nöthig gehabt, um sich aus seinen in­neren Verwicklungen zu befreien. Daß man von Frankreich eher so urtheilen könnte, daß eine thätige Partei dort wirklich so dachte, zeigt das fünfte Ca­pitel, und wie die clericalen Tendenzen am Hof des durch Krankheit und das Scheitern so vieler Pläne gebrochenen Kaisers an Einfluß gewannen.

Die Bedeutung des vaticanischen Concils für den Ausbruch des Krieges und die Thatsache, daß der liberale Ollivier recht eigentlich der Patron des­selben war, ist bisher Wohl noch nie so klar dargestellt worden. Damit sind wir vorbereitet für das letzte Buch:Der Ursprung des französischen Krieges".