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Deutsche Rundschau.
Hauptmannschaft im Schutzgebiete. Als jedoch die Macht Jan Jonker's schwand, entschloß sich der junge Hendrik Witbooi, der Enkel Kindo's und Sohn Moses Witbooi's, aus eigene Faust dem gewünschten Ziele sich zu nähern. Das friedliche Leben aus der Werst, d- h. im Lager oder Dorf, des alten Moses gefiel Hendrik nicht und ebenso wenig, wie es scheint, sein Berus als Schulmeister, welchem er dort oblag. Er warb daher unter dem Anhänge seines Vaters einige vierzig veränderungssüchtige junge Leute an und trennte sich mit ihnen von dem alten Moses Witbooi unter dem Vorgeben, ein Land suchen zu wollen, in welchem sie friedlich der Viehzucht leben könnten. Zwar stimmten die Gewehre, Patronen und Pferde, welche er sich vorher erhandelt hatte, nicht ganz zu seinen friedlichen Absichten, und man begreift, daß der Oberhäuptling der Herero's, der alte Maharero, und seine Leute einiges Mißtrauen in Hendrik Witbooi setzten, als dieser vor ihrem Hauptplatz, Okahandja, erschien und um freien Durchzug durch das Land Lat. Nach Hendrik Witbooi's eigenen Worten war die Lage und Entwicklung wie folgt: Hendrik lag mit seinen gut bewaffneten und berittenen vierzig Hottentotten bei Osona, zwei Stunden südöstlich von Okahandja, bei einer Wasserpsütze im trocknen Bette des Tsoachaubflusses. Da erschien der Häuptling Maharero und lagerte sich mit mehreren hundert Kriegern, die meisten unbekleidet und nur mit dein Wurfspieß, dem sogenannten Assagai, bewaffnet, während Gewehre in geringerer Zahl und Pferde fast gar nicht vorhanden waren, den Hottentotten gegenüber. Nach mehrtägigen Verhandlungen zwischen den Häuptlingen war das Mißtrauen der Herero's nur noch größer geworden und die Ungeduld der raub lustigen Hottentotten desgleichen, so daß der aus beiden Seiten angehäuste Zündstoff durch einen von einein Hottentotten abge- seuerten Schuß zum Ausbruch kam. Ein regelrechtes Fenergesecht entspann sich, bei dessen Ausgang sich die Hottentotten zurückzogen, aber nicht — ohne vorher eine Horde fetter Ochsen in Sicherheit gebracht zu haben.
Damit hatte der Krieg begonnen, welcher freilich sehr mit Unrecht als ein „Krieg" bezeichnet wird, da jedes edle Motiv, jede Leidenschaft der beleidigten Ehre sowohl wie der Rachsucht fehlte; ja sogar Blutdurst und Wildheit irgend welcher Art waren diesen Kämpfen fern, bei denen es sich nur immer wieder um Eins handelte, nämlich Viehraub. Zwischen den Hottentotten und den Rinderkasfern bricht der Krieg aus, wie man im Lande sagt, mit dem ersten gestohlenen Ochsen, und es wird keinen Frieden geben, bis die Herero's arm und die Hottentotten reich sind.
Von jetzt ab hatten die Hottentotten, was sie brauchten: vor Allem vollauf zu essen, dann aber auch die Mittel, Kleider, Pferde und Waffen zu kaufen. Diese Vortheile wußte Hendrik gut zu nutzen; er unterwarf nach und nach alle Stämme des Namalandes seiner Herrschaft, wählte sich in Gibeon einen fruchtbaren Platz zum Wohnsitze, von dem aus er leicht in einigen Tagen das Hereroland erreichen konnte und räumte schließlich durch die gänzliche Vernichtung des Jan Jonker- stammes in Windhoek das letzte Hinderniß aus seinem Wege. Jonker wurde 1888 meuchlings von den Witbooi's erschossen, und daraus verlegte Hendrik sein Kriegslager noch näher an die Herden der Kaffern und zwar nach Hornkranz, jenem Platz, welcher durch die Erstürmung der Schutztruppe vom 12. April 1893 bekannt geworden ist.
Es folgte nun ein Zug dem andern, denn fast allmonatlich fiel Hendrik mit zwanzig bis fünfzig Reitern in das Hereroland ein, Rinder, Schafe und Ziegen von einigen Hunderten bis zu mehreren Tausenden raubend, wobei jedoch nur in den seltensten Fällen Schüsse gewechselt worden und Leute gefallen oder verwundet sind. Der Erfolg war ohne Ausnahme auf Hendrik's Seite, denn er kehrte fast nie ohne Beute heim und nahm ein Gefecht nur dann an, wenn er die Herero's erschrecken oder nothgedrungen den Rückzug seiner Beute decken mußte. So hat er den Platz Otjimbingue zu mehreren Malen angegriffen und beschossen und ebenso aus tactischen Gründen den Herero's, als sie ihn verfolgten, zwischen Otjimbingue