Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

Südwest-Afrika zu senden und dem derzeitigen Führer, Hnuptmann von Frautzois, den Austrag zu ertheilen, eintretenden Falles dem Aufstande durch eine Action gegen Witbooi zuvorzukommen.

Als die neue Truppe Mitte März in Walsischbah gelandet und nach vierzehn-- tägigem Marsche Windhoek erreicht hatte, bereitete Hauptmann von Francois, welcher den Augenblick für gekommen erachtete, sofort einen Zug nach Hornkranz vor. Am 9. April rückte die Truppe unter dem Schutze der Nacht von Windhoek ab und erreichte, durch menschenleere Gegenden marschirend, mit dem Morgen­grauen des 12. April die sogenannte Feste Hornkranz. Diese liegt, wenn inan sich ihr von Nordosten nähert, ans einem länglichen Plateau von leichten Hügel­wellen unlgeben und überhöht, während im Westen und Südwesten das Plateau circa zehn Meter nach dem Flüßchen abfällt, hinter welchem wiederum ein mit Felsblöcken bedecktes, zerklüftetes Hügelland beginnt. Weiter zurück erheben sich in dunkelblauen Massen die Quisibgebirge mit dem flachen Tafelberge, Gamsberg genannt.

Am Morgen des 12. April ans den erwähnten Hügeln angelangt, sah die Schutztruppe das Lager WitbooUs in tiefem Schlafe vor sich liegen, nur einige Frauen waren mit dem Melken der Kühe beschäftigt, und die Hähne krähten in den grauen Morgen hinaus.

Da siel ein Schuß; dann noch einer und noch einer, und im nächsten Augen­blick richtete sich ein von zwei Seiten umfassendes Feuer aus 250 Läufen aus die ahnungslosen Schläfer. Nach der Erstürmung des Lagers iand man achtzig Todte und hundert Verwundete, aber weder Hendrik Witbooi selbst noch seine Krieger waren darunter. Diese hatten sich in südwestlicher Richtung in die Felsen ge­flüchtet und waren entkommen. Es ist zweifellos, daß, wenn man des Hottentotten­führers hier habhaft geworden, der Krieg mit diesem einen Schlage beendigt ge­wesen wäre, statt daß er noch anderthalb Jahre gedauert und viele Menschenleben gekostet hat. Deutscherseits waren zwei Mann gefallen und zwei schwer ver­wundet, von denen der eine später starb. Erbeutet wurden einige Rinder, Pferde, schlechte Gewehre nebst wenig Munition, und dann der Rückzug nach Windhoek angetreten.

Hier herrschte unbeschreiblicher Jubel, als die Nachricht von der Erstürmung von Hornkranz einlief; denn wenn auch Witbooi sich niemals an einem Weißen oder seinem Eigenthum vergriffen, so hatte doch eine allgemein gedrückte Stimmung im Lande geherrscht ob des geringen Ansehens, welches die deutsche Oberhoheit dort besaß.

Mit bengalischen Flammen, Fahnen, Ehrenpforten und Hurrahrufen wurde die Truppe begrüßt, als sie wiederum auf Windhoek einzog. Es schien, als ob ein Alp von Aller Brust genommen sei; aber schon am Nachmittage des Einzugs­tages kam die Kunde, daß die Witbooi's dreißig Pferde der Truppe, welche zwei Stunden von Windhoek auf der Weide liefen und wenige Tage später, daß sie dem Händler Schmerenbeck hundertundzwanzig Pferde, nahe der Küste geraubt hatten, welche gleichfalls bereits an die Truppe verkauft worden waren ein Verlust, der diese nach dem zuerst genannten doppelt traf. Jetzt wurde klar, daß die Lage der Deutschen im Schutzgebiete sich nicht verbessert, sondern höchst kritisch gestaltet hatte. Auf der einen Seite Hendrik Witbooi mit 250 Pferden, mit Gewehren und Munition, mit 150 Leuten, welche bedürfnißlos, landeskundig, geübte Schützen und Reiter waren, Leute, welche jeden Tag, so lange ein Pferd und ein Gewehr zur Verfügung stand, durch Andere ersetzt werden konnten, während auf deutscher Seite 250 schwer ausgerüstete europäische Fußsoldaten standen, die all jener Vortheile entbehrten und selbst wenn sie Pferde gehabt hätten, an Flinkheit und Findigkeit mit den Hottentotten sich nicht messen konnten. Man sah mit sorgenvollem Blick einem Kampf von langer Dauer entgegen, in welchem obendrein die Schutztruppe nur zu sehr unter der Ungunst der Ver­hältnisse litt.