Heft 
(1894) 82
Seite
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Hendrik Witbooi.

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Umsonst zog denn auch bald hieraus Hauptmann von Francois gegen die Hottentotten, welche noch in den Bergen hinter Hornkranz saßen; er kehrte ohne Erfolg zurück, nachdem er eine Besatzung von dreißig Mann in Hornkranz ge­lassen hatte.

In den nächsten Monaten kam es zu mehreren kleinen Gefechten der zwischen Windhoek und Hornkranz hin- und herziehenden Abtheilungen und den Hottentotten, die von Hendrik selbst oder seinem Unterhäuptling, Samuel Jzaak, angesührt, sich meistens in einen Hinterhalt zu beiden Seiten der Straße gelegt, aus nächster Nähe aus die arglos Marschireuden gefeuert und sich, sobald sie angegriffen wurden, schleunigst zurückgezogen hatten, wobei sie meist nicht mehr als ein bis zwei Pferde und selten einen Mann verloren. Ihre Kampsesweise war überhaupt eine sehr lehrreiche; man kann mit Recht sagen, daß sie das Ideal einer berittenen Infanterie darstellten und somit genau das waren, was der Führer der deutschen Schntz- truppe aus seinen Leuten machen wollte, aber natürlich bei der Kürze der vor­bereitenden Zeit nicht hatte machen können. Diese Aufgabe ist es, welche der Führer der Schutztrnppe in den nächsten Friedensjahren zu lösen haben wird, und wir hoffen, daß ein neuer Aufstand oder Feldzug die Truppe Wohl ausgebildet sindeu wird. Es genügt lange nicht, daß wir das beste Heer der Welt in der Heimath besitzen, welches zu schulen uns die Hohenzollern gelehrt haben; unsere coloniale Aufgabe stellt eben andere Anforderungen, die mit nicht minderer Ausdauer und Sorgfalt erfüllt werden müssen.

Wie gesagt, waren die Hottentotten wegen ihrer Bedürsnißlosigkeit und ihrer Eigenschaften als Jäger, als Kenner wilder Wurzeln und Beeren, des Honigs und der Wasserstellen, des Landes, seiner Pfade und Schlupfwinkel, als leichte und ge­wandte Reiter, als gute Schützen und schließlich als ganz unabhängige, aus sich selbst vertrauende Charaktere ein selten vielseitiges Werkzeug in der Hand ihres thatkrästigen Führers. Was schadete es Hendrik, wenn seine Leute auch in wilder Flucht den Kampfplatz verließen, oder, aus dem Marsche überrascht, nach allen Seiten auseinanderstoben; wußte er doch, daß sie sich in einigen Stunden hinter einer jener Kuppen oder an einer Wasserstelle znsammenfinden, wenigstens aber nach einrgen Tagen alle in Hornkranz cintresfen würden. Niemals marschirten die Witbooi'schen Reiter zusammen oder aus den Hauptwegen, sondern sie ritten einzeln, wie Plänkler in einer breiten Linie von mehreren Kilometern Ausdehnung. Im Sommer 1893 schien es fast, als ob der Krieg mit der Schntztruppe den Hotten­totten eine Art Sport sei: sie wußten nun, in welchen Punkten sie den Deutschen überlegen waren und trieben die Kühnheit so weit, daß sie Ende Juni eines Tages vor Windhoek erschienen und von Norden und Süden her ein Gefecht zu provocireu suchten. Als eine Abtheilung der Schutztruppe ausrückte, um sie unter Feuer zu nehmen, schossen sie schnell ihre Gewehre ab und jagten ohne Verluste davon, hatten aber vorher einige zwanzig Ochsen und mehrere Pferde geraubt und einen Wagen verbrannt. Im September 1893 erhielt die Schutztruppe eine Verstärkung von weiteren zweihundert Mann und zwei Feldgeschützen, mit welchen Hauptmann von Francois einen erneuten Zug gegen Hendrik Witbooi unternahm. Wohl trieb er unter großen Entbehrungen die Hottentotten von einem Felsennest des Quisib- gebirges zum andern, war aber doch nicht im Stande, den Führer zu sangen. Noch einmal wagte sich Hendrik aus dem Gebirge in die nördlicheren Flächen und überfiel im September 1893 einen Transport von zwanzig Ochsenwagen, die mit ungefähr vierhundert Zugthieren bespannt, theilweise mit Gütern beladen und cscortirt waren von dreiundzwanzig Farbigen und Mischlingen, unter Führung von zwei Weißen. Hendrik ließ alle Leute erschießen; nur ein Weißer vermochte sich zu retten, während die Wagen verbrannt, die Güter vernichtet, die Ochsen aber sort- getrieben wurden. Als ein eigenthümlicher Zug Hendrik's und als Beweis seiner Autorität mag erwähnt werden, daß Hendrik alle geistigen Getränke zuerst aus­lausen ließ, so daß der Boden noch lange vom Capwein roth gefärbt war.

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