Heft 
(1894) 82
Seite
292
Einzelbild herunterladen

292

Deutsche Rundschau.

Dieser Vorfall bewies, das Witbooi die Absicht hatte, von jetzt ab seinen Bedarf an Lebensmitteln und Munition aus der vierhundert Kilometer langen Strecke von der Küste nach Windhoek zu suchen, und was er hier nicht fand, im südlichen Namaland, welches von deutschen Truppen ganz frei war, zu erhandeln. In Folge dessen wurde die Hauptverkehrsstraße durch marschirende Truppen ge­deckt, der Krieg in den Rücken Witbooi's nach Großnama-Land verlegt und dadurch dem Feind endlich die Munitionszufuhr aus der Capcolonie ganz unterbunden. Trotzdem gelang einer Abtheilung Hendrik's noch ein Hauptstreich gegen die Station Kubub im Gebiete von Bethanien, östlich von Angra-Pequena. Hier unterhält der Bevollmächtigte der Colonialgesellschast für Südwest-Asrika, Hermann, eine landwirthschastliche Unternehmung, der das Reich einen zweimaligen Zuschuß von je 25 000 Mark gezahlt hat, und die neben einigen tausend Merinoschafen, an hundert Rinder und fünfzig Pferde besaß. Dieser Platz wurde völlig ans­geraubt und außerdem mitgenommen, was an Gewehren und Munition vorhanden war. Ein besonders glücklicher Zufall wollte, daß ein deutsches Kriegsschiff die bedeutenden Vorräthe an Gewehren und Patronen, welche im Hafen von Angra- Pequena unter Aussicht nur eines Unteroffiziers lagerten, wenige Wochen vorher sortgeführt oder zerstört hatte; sonst würden auch diese Waffen in die Hände der Hottentotten gefallen sein und den Kampf erheblich erschwert haben.

Im Januar 1894 entsandte der Reichskanzler den Major Leutwein als Landes­hauptmann mit einer weiteren Verstärkung nach dem Schutzgebiet, und dieser nahm sofort die Bestrafung des Häuptlings der Khauas-Hottentotten, welche in einem besonders fruchtbaren Weidelande östlich von Windhoek lebten, in die Hand. Dieser Häuptling, Andries Lambert, hatte seit Jahrzehnten Raub und Erpressung an jedem Nachbarn, Händler oder Reisenden, geübt und zugegeben, daß der Deutsche Paul Krebs von seinen Leuten im Frühjahr 1893 meuchlings erschossen worden war. Sein Maß war also voll, und Major Lentwein ließ ihn, nachdem ein Kriegsgericht ihn zum Tode verurtheilt, erschießen, sein Land aber nahm er für das Reich in Besitz und wies den Hottentotten, nachdem sie entwaffnet worden, einen Platz unter Aussicht der Schußtruppe zum Wohnsitz an. Hiernach besuchte Major Lentwein einen anderen unsicheren Hottentotten-Hänptling, welcher südlich Von Windhoek, nicht weit von den Witbooi's wohnte und, wie man sagte, mit ihnen eine bedenkliche Freundschaft unterhielt. Dieser Mann, Simon Köpper genannt, war als Räuber und Erpresser ebenfalls bekannt; da jedoch kein Mord gegen ihn vorlag und er sofort zu Kreuze kroch, so wurde seine Unterwerfung an­genommen.

Anders mit Hendrik Witbooi. Dieser dachte nicht an Unterwerfung, obgleich er vor dem Major von Franqois, Schritt für Schritt verfolgt, bis in die äußerste Westecke des Quisibgebirges zurückgewichen war, wo er zwischen nnübersteiglichen Sanddünen auf der einen und dem Gebirge auf der anderen Seite eingekeilt saß. Wohl aus Mangel an Zufuhr hielt Major von Franqois hier nicht aus, sondern zog nach dem weiter südlich gelegenen Keetmanshoop, wo er sich mit dem neuen Landeshauptmann vereinigte und an diesen das Commando abgab. Witbooi hatte nun Zeit gewonnen, sich einigen Proviant und Patronen zu suchen und eine Stellung an der Naauw-Kloos herzurichten, in welcher ihn sodann Major Lentwein wohl verschanzt antraf, als er kam, um über Frieden zu verhandeln. Witbooi ging aus diesen Vorschlag gern ein und hatte mit dem Landeshauptmann eine Zusammenkunft unter der Parlamentärflagge. Auf die Bedingungen, welche ihm Major Lentwein anbot, nämlich Entwaffnung, Entlassung seiner Leute und Einzelansiedelung, wollte er nicht eingehen, bat sich dagegen als Bedenkzeit einen Waffenstillstand aus, welcher ihm bereitwillig gewährt wurde und bis zum ersten August dauern sollte. Wenn man von Hannibal gesagt hat, daß er seine Siege nicht auszunutzen verstand, so kann man von Henrik Witbooi nicht behaupten, daß er diesen Waffenstillstand unbenutzt verstreichen ließ; denn noch ehe die Ver-