Heft 
(1894) 82
Seite
304
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Literarische Rundschau.

Der Ursprung des siebenjährigen Krieges.

(Nachdruck untersagt.)

Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges. Von Max Lehmann. Leipzig, Hirzel. 1894.

Für die Geschichtsforschung gibt es kaum ein Problem, das anziehender zu­gleich und schwieriger wäre, als die Untersuchung über den Ursprung eines Krieges. Wir sehen, wie die Vorgeschichte der großen Kriege, die das Ansehen Europa's von Grund aus umgestaltet haben, der Revolutionskrieg von 1792, der deutsch- sranzösische Krieg von 1870, immer von Neuem ersorscht und dargestellt werden, ohne daß bei dem Gegensatz der Interessen und Leidenschaften, welche die Kriege Hervorrusen und überleben, eine bestimmte Auffassung und Darstellung über jeden Streit hinweg sich allgemeine Zustimmung erobern könnte. Aehnlich und doch auch wieder anders ist es mit der Geschichte der Entstehung des siebenjährigen Krieges. Auch hiermit haben sich seit länger als einem Jahrhundert zahlreiche Geschichtschreiber, und darunter einige ersten Ranges, beschäftigt, von Duclos an, der in einer bald nach der Beendigung des Krieges veröffentlichtenHUtoire äe8 eaus68 äo la Zuarro äa 1756" Alles aus der Annäherung der Kaiserin Maria Theresia an die Pompadour herleiten wollte, bis zu der trefflichen Darstellung in Reinhold Koser's WerkKönig Friedrich der Große" (1893). Das Bemerkens- werthe dabei war aber, daß aus der Menge und Mannigfaltigkeit dieser Forschungen und Bearbeitungen, wie sie namentlich nach Oeffnung der Archive in Wien und Berlin, Paris und Moskau in reicher Fülle an die Oeffentlichkeit traten, doch allmälig eine allseitig angenommene Anschauung sich herausgebildet hat. Preußische und österreichische, französische und russische Forscher kommen in der Ansicht über­ein, daß Oesterreich und Rußland einen Bund geschlossen hatten, der, wenn nicht schon für 1756, doch für 1757 einen Angriff aus König Friedrich bestimmt in Aussicht nahm; daß Frankreich durch den mit Oesterreich geschlossenen Versailler Tractat aller Wahrscheinlichkeit nach an dem Kriege gegen Preußen Theil genommen hätte; daß König Friedrich durch seine Waffenerhebung der drohenden Gefahr, von der er im Allgemeinen unterrichtet war, rechtzeitig hat entgegentreten wollen. So urtheilen, wie gesagt, nicht bloß preußische Gelehrte, wie Ranke, Rauda, Koser. Von den österreichischen Historikern sagt Arneth, der Biograph Maria Theresia's: Der Kaiserhos trug sich seit langer Zeit schon mit Entwürfen, welche Preußen mit den ernstesten Gefahren bedrohten. So weit wir sehen können, war der Aus­bruch des Krieges für das Jahr 1757 unvermeidlich geworden." Ein Anderer, Adolf Beer, erklärt:Darüber kann Wohl nunmehr kein Zweifel herrschen: der eigentliche Motor des verheerenden Kampfes, der Europa sieben Jahre lang in