Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Kriege von 1870 charakterisirt hat: sie war argwöhnisch und leichtgläubig, kurz­sichtig und überstürzend, aber, ich wiederhole es, kriegslüstern war sie nicht.

Dagegen beweist auch nichts jene großartige Kriegsrüstung, die König Friedrich in der Friedenszeit nach dem zweiten schlesischen Kriege geschaffen hat, jenes Heer, das eine Bereinigungvon numerischer Stärke, Einheitlichkeit, Schlagfertigkeit und Beweglichkeit darstellte, zu der es durchaus kein Gegenstück in der Welt gab" (S. 4). In einem einleitenden Capitel, vielleicht dem besten des ganzen Buches, vor­züglich in knapper und überall treffender Darstellung, urkundlich zuverlässig, hat Lehmann die großartige militärische Leistungsfähigkeit des damaligen preußischen Staates geschildert; und als Gegenstück dazu die schwerfällige Schwäche des gleich­zeitigen Oesterreichs unter Maria Theresia. Wir glauben ihm Wohl, daß bei den Nachbaren Preußens damals einemit Achtung, Grauen und Erbitterung gemischte Empfindung" herrschte (S. 8). Aber müssen wir deshalb auch glauben, daß jene gewaltige Kriegsrüstung mehr zum Angriff, als zur Vertheidigung ins Leben ge­rufen war? Ich meine, die Erinnerung an unsere eigene Lage nach dem Kriege von 1870 gestattet uns nicht nur, sondern mahnt uns geradezu, die Rüstungen Friedrichs als Vertheidigungsmaßregeln aufzusassen auch jene Rüstungen, aus denen schließlich der Krieg von 1756 hervorgegangen ist.

. Es war um die Mitte des Juni 1756 in der Nähe Magdeburgs, wo der König militärische Hebungen leitete, als er Nachrichten über Vorgänge in Rußland und Oesterreich erhielt, welche ihn mit den ernstesten Besorgnissen erfüllten. Schon am 17. Juni zeigen einige seiner Aeußerungen, daß der Gedanke an den bevor­stehenden Ausbruch eines Krieges, wenn auch vielleicht erst für 1757, damals mit Be­stimmtheit vor seine Seele trat.Wenn es zum Kriege kommen möchte und die Regimenter marschiren müssen", schreibt er an diesem Tage in einem noch un­gedruckten Briefe seinen Generalen. Noch traf er keine militärischen Vorkehrungen; erst als er am 19. Juni, nach Potsdam zurückgekehrt, neue und drohendere Nach­richten namentlich von russischen Rüstungen Vorsand, hat er Maßregeln ursprünglich rein defensiven Charakters angeordnet, die, unter wechselnden Eindrücken allmälig gesteigert und beschleunigt, schließlich zur Mobilmachung des ganzen preußischen Heeres für eine Offensive geführt haben. Diese Entwicklung weiter zu verfolgen, scheint unnöthig; aus den Rüstungen auf beiden Seiten ging der Krieg mit Noth- wendigkeit hervor. Es ist einmal so, wie ein großer Diplomat des 19. Jahr­hunderts, Pozzo di Borgo, zu Wellington geäußert hat:Kien na xräeiMa xlus In Zuarra gua les präeautiolm exeessivas pour sa mettrs en mk8urk äk la soutenir, xares gua aas xreeautionZ sont ockieu868 kt xrovognent ckk8 reoixroelläs äu meine gsnrs gut menent ä äes ruxtnres ouvertss."

Lehmann ist auf den Zusammenhang zwischen den beunruhigenden Nachrichten, die der König erhält, und den Vorkehrungen, die er daraus hin trifft einen Zu­sammenhang, den Naude und Koser gründlichst nachgewiesen haben seinerseits nicht näher eingegangen. Man hat das getadelt, meines Erachtens mit Unrecht. Nachdem er einmal sestgestellt zu haben glaubte, daß der König einen Angriff auf Oesterreich längst plante und nur auf einen passenden Vorwand dafür wartete, konnte Lehmann sich mit der Bemerkung begnügen, daß unzweifelhaft die russischen Rüstungen den preußischen vorangingen und die nächste Veranlassung der kriege­rischen Verwicklungen des Jahres 1756 bildeten (S. 77). Ausführlich erörtert er dagegen die angeblichen Rüstungen Oesterreichs und weist in einer aus den Wiener Acten geschöpften Darstellung überzeugend nach, daß die dem Könige darüber zu­gegangenen Nachrichten falsche waren; daß vielmehr die österreichischen Rüstungen durch die preußischen ebenso hervorgerufen wurden, wie diese vorher durch die russischen. Es hat, wie ich dazu einfchalten möchte, auch dem König nicht an richtigeren Nachrichten gefehlt. Der Generallientenant Fouquä, der in der Nähe der Grenze stand, hat damals in seinen Schreiben an den König die Richtigkeit: der auch ihm zugegangenen Gerüchte über österreichische Rüstungen bestritten, indem