312 Deutsche Rundschau.
doch geglaubte Gefahren, die ihn zu Rüstungen veranlaßten und damit den Krieg hervorriefen.
Die „Legende" vom Ursprung des siebenjährigen Krieges steht demnach als lautere geschichtliche Wahrheit noch fest auf ihren Füßen: der Umsturzversuch Leh- mann's ist mißlungen. Die Bedeutung feines Buches ist damit aber glücklicher Weise nicht erschöpft. Abgesehen davon, daß die Vorgeschichte des siebenjährigen Krieges in manchen Punkten richtig gestellt wird, ist dies Buch ein starkes und bemerkenswerthes Zeugniß für die zur Zeit in der preußischen Geschichtschreibung cmporstrebende Richtung. Die alte patriotische Geschichtsüberlieserung, wie sie in Drohsen und Duncker so glänzende Verfechter gefunden hatte, verschwindet mehr und mehr vor der scharfen und schneidenden Kritik, wie sie in jüngeren Forscherkreisen gepflegt wird. Max Lehmann ist ein sehr selbständiger, kraftvoller Vertreter dieser Bestrebungen, zugleich aber ein Gelehrter von stark ausgeprägter Subjektivität. Von seiner Scharnhorst-Biographie urtheilte jüngst ein anderer Repräsentant derselben Richtung (Delbrück in seinem Gneisenau), mit einiger Uebertreibung aber doch nicht unrichtig: „sie habe mit dem mächtigen Wehen der Wahrheit die Nebel Vertrieben, welche die Höhen und Tiefen unserer Geschichte für immer in Schatten zu hüllen drohten." Ich bin gewiß, daß auch seine Forschungen zur Geschichte Friedrichs schöne und sichere Ergebnisse Hervorbringen würden, wenn ihn nicht, man gestatte den Ausdruck, sein persönliches Verhältniß zu dem großen Könige daran hinderte. Es scheint mir: er mag ihn nicht leiden- Wie sagt aber doch Gabriel Monod in den schönen Aufsähen, die L. Bamberger kürzlich hier besprochen hat: „bin prä8sno6 ck'üommes suMäeurs, 1a sz-mMino eM 1a voie 1a xlns suro xonr eomxranäre."
P. Bailleu.
Güßseldt's Montblanc.
Der Montblanc. Studien im Hochgebirge, vornehmlich in der Montblanc-Gruppe. Von Paul Güßfeldt. Mit acht Illustrationen in Lichtdruck, einer Karte und drei Diagrammen. Berlin, Gebrüder Paetel. 1894.
Der muthige Reisende, welcher in unbekannte Länderstriche vordringt, oder- schwer zugängliche Bergriesen aus gefahrvollen Pfaden erklimmt, erregt das Staunen der Menge. Der geistvolle Gelehrte, welcher im Stande ist, die Vorgänge in der Natur zu erforschen und zugleich fesselnd zu schildern, findet den Beifall einer- kleineren Schar aus erwählt er Leser. Allseitige Bewunderung jedoch ruft Derjenige hervor, dem es gelingt, kühne Thaten durchzuführen und sie mit gewandter Feder zu beschreiben. Zu diesen wenigen auserlesenen Naturforschern muß der Verfasser des vorliegenden Buches gerechnet werden. Es faßt in einheitlicher Form die einzelnen Aufsätze zusammen, welche im Laufe der letzten fünf Jahre über den Montblanc an dieser Stelle veröffentlicht worden sind, fügt aber zu Bekanntem vieles Neue hinzu.
Paul Güßfeldt hat die höchsten Punkte der Alpenkette während einer Reihe von Jahren zum Ziel mühevoller, häufig gefahrenreicher Wanderungen gemacht, und feine meisterhaften Schilderungen jenes mitteleuropäischen Hochgebirges tragen daher nicht nur den Stempel des eigenen Nachdenkens, sondern auch des Selbsterlebten. Im ersten Abschnitt lernen wir die Penninischen Alpen und die Bernina- Gruppe kennen. Außer werthvolleu topographischen Skizzen finden sich die Besteigungen des Gabelhorns, des Matterhorns und des Monte Scerscen eingehend