Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

gar zu leichter Hand bei Seite geschoben und hat mindestens einen richtigen Kern. Zu manchen Blättern des auch schriftstellerisch aus­gezeichneten Textes und den Abbildungen liefert v. d. Steinen's frisches Reisewerk über Central- Brasilien sehr erwünschte Belege und unabhän­gige Urtheile, zugleich aber Ergänzungen, wie zu dem Excurs über das Schamgefühl, d. h. seinen Mangel.

Neumänn's Orts-Lexikon des Deut­schen Reichs. Ein geographisch-statistisches Nachschlagebuch für deutsche Landeskunde. Dritte, neu bearbeitete und vermehrte Auf­lage von Wilhelm Keil. Leipzig u. Wien, Bibliographisches Institut. 1894.

Daß ein Werk, wie dieses, in der verhält- nißmäßig kurzen Zeit von elf Jahren drei Auf­lagen erlebt hat, ist wohl der beste Beweis für seinen Werth und seine praktische Brauchbarkeit. Schon in der früheren Gestalt hat es uns nie­mals im Stiche gelassen, wo sich's um gedrängte Information, sei's über die geographischen und wirthschaftlichen, Verfassungs- und Wehrver­hältnisse des Deutschen Reichs im Allgemeinen, sei's im Besonderen über das unendlich mannig­faltige Kulturleben in seinen Städten und Städtchen, bis hinunter zum kleinsten Dorf und Weiler gehandelt. In jeder dieser Beziehungen weist nun diese neue Auflage bedeutende Ver­änderungen auf; mit äußerster Sorgfalt sind alle statistischen Angaben auf den neuesten Stand gebracht und den Bevölkerungsziffern die neueste Zählung (von 1890) zu Grunde ge­legt worden. Mit dem Wachsthum der Städte sind auch die Stadtpläne gewachsen, nicht nur in ihrer Ausgestaltung, sondern auch numerisch von 28 auf 32 und durch Hinzunahme selbst der Güter, Vorwerke, Höfe u. s. w. die Zahl der bewohnten Stätten von 45 000 auf 70 000 vermehrt. Nehmen wir zu diesen inne­ren Verbesserungen hinzu, daß durch ein größe­res Format der früher ein wenig dickleibige Band jetzt ungemein handlich geworden ist, so glauben wir Neumann's Orts-Lexikon als ein Nachschlagebuch bezeichnen zu dürfen, das auf seinem Gebiet unübertroffen dasteht, t?. Meyers Konversations-Lexikon. Fünfte Auflage. Fünfter bis siebenter Band. Leipzig und Wien, Bibliographisches Institut. 1894.

Das eben verflossene Jahr hat uns drei weitere Bände dieses in immer gleicher Vor­trefflichkeit fortschreitenden Werkes gebracht, das zu den größten encyklopädischen Leistungen ver­deutschen Literatur gehört und mit den be­rühmtesten Encyklopädien des Auslandes sich messen kann. Ausnahmslose Vollständigkeit und unbedingte Zuverlässigkeit bilden die Grundzüge dieses Lexikons, das sicher keinen Rathsuchenden im Stiche läßt und mit seinem Reichthum an Illustrationen im Text, Bildertafeln, Karten und Plänen der belehrenden Darstellung zu­gleich den Reiz höchster Anschaulichkeit verleiht. Jeder, der die früheren Auflagen kennt, wird der vorliegenden nachrühmen dürfen, daß sie sich völlig auf der Höhe der Zeit befindet, nicht nur in den mannigfach neu hinzugekommenen

Artikeln, sondern ebenso sehr in denen, die bis auf das jüngste Datum und unter den weitesten Gesichtspunkten vervollständigt worden sind; wir nennen beispielsweise nur solche wie: englische und französische Literatur, Eisen und Eisenbahn, Elektricität und Elektrotechnik, Fern­sprecher, Genossenschaften und Gewerkvereine; die Resultate moderner Forschung finden sich in Artikeln wie: Gesundheitspflege, Gehör, Geruch, Gesicht, und ein Muster guter Arbeit ist der über Goethe. Kurz, auch in dieser neuen Auf­lage bewährt sich Meyer's Conversations-Lexikon auf allen Gebieten des Wissens, das unserer heutigen Cultur zu Grunde liegt, und von dessen Umfang man sich erst in einer solchen Codification den rechten Begriff macht.

/S. Logik. Eine Untersuchung der Principien der Erkenntniß und der Methoden wissen­schaftlicher Forschung von Wilhelm Wundt. 2 Bde. Zweite umgearbeitete Auflage. Stutt­gart, Ferdinand Enke. 1893/94.

Ein groß angelegtes, viel umfassendes, die sorgfältigste Durchführung im Einzelnen zeigen­des Werk. Es enthält, was nach des Ber- fassers Meinung eine wissenschaftliche Logik enthalten muß; neben der bloßen Darstellung der Formen des Denkens, die die rein for­male Logik als ihre einzige Aufgabe betrachtet, eine psychologische Entwicklungsgeschichte des­selben, eine Untersuchung der Grundlagen und Bedingungen der Erkenntniß und eine Analyse und Darstellung der logischen Methoden, deren sich die Wissenschaft zur Erforschung der Wahr­heit bedient. Dem entsprechend behandelt der erste Band die formale Logik und die Pro­bleme derErkenntnißlehre, während der zweite der Methodenle hre gewidmet ist. Von dieser liegt die erste Abtheilung vor: sie umfaßt neben der allgemeinen Methodenlehre die Logik der Mathematik und der Naturwissen­schaften, der Physik, der Chemie und Bio­logie. Der zweiten Abtheilung ist die Logik der Geisteswissenschaften Vorbehalten. Schon diese kurze Inhaltsangabe gibt einen Begriff von der Reichhaltigkeit und dem umfassenden Plane des Werkes. Wenige unter den jetzt lebenden Forschern dürften der Durchführung einer solchen Aufgabe gewachsen sein. Der Verfasser ist es in seltenem Maße durch seine ungewöhnlich umfassenden Studien auf den ver­schiedensten Gebieten der Wissenschaft. Dabei verleugnet sich natürlich in der ganzen Anlage des Werkes, wie vielfach auch in den einzelnen Partien desselben (so besonders in den psycho­logischen Voruntersuchungen des ersten Theiles und bei der Darstellung und Beurtheilung der erkenntnißtheoretischen Probleme) der her­vorragende Psychologe und Physiologe nicht. Das specielle Berufsgebiet des Verfassers gibt seiner Schöpfung ihr besonderes Gepräge. SeinerLogik" ist ein hervorragender Platz in der wissenschaftlichen Literatur gesichert.

/S. Fr. Nietzsches Weltanschauung und ihre Gefahren. Von Dr. Ludwig Stein, ord. Professor der Philosophie an der Uni­versität Bern. Berlin, Georg Reimer. 1893.