Heft 
(1894) 82
Seite
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Effi Briest.

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Das eine Hausmädchen, eine kränklich aussehende Person von Mitte Dreißig, die, durch beständigen Aufenthalt auf dem Korridor des Pensionats, den hier lagernden Dunstkreis überall hin in ihren Falten mitfchleppte, trat ein und sagte:Die gnädige Frau möchte entschuldigen, aber es wolle sie Jemand sprechen."

Wer?"

Eine Frau."

Und hat sie ihren Namen genannt?"

Ja. Roswitha."

Und siehe da, kaum daß Effi diesen Namen gehört hatte, so schüttelte sie Len Halbschlaf von sich ab und sprang auf und lief auf den Corridor hinaus, um Roswitha bei beiden Händen zu fassen und in ihr Zimmer zu ziehen.

Roswitha. Du. Ist das eine Freude. Was bringst Du? Natürlich 'was Gutes. Ein so gutes altes Gesicht kann nur 'was Gutes bringen. Ach, Wie glücklich ich bin, ich könnte Dir einen Kuß geben; ich hätte nicht gedacht, daß ich noch solche Freude haben könnte. Mein gutes altes Herz, wie geht es Dir denn? Weißt Du noch, wie's damals war, als der Chinese spukte? Das waren glückliche Zeiten. Ich habe damals gedacht, es wären unglückliche, weil ich das Harte des Lebens noch nicht kannte. Seitdem habe ich es kennen gelernt. Ach, Spuk ist lange nicht das Schlimmste! Komm, meine gute Ros­witha, komm, sehe Dich hier zu mir und erzähle mir . . . Ach, ich habe solche Sehnsucht. Was macht Annie?"

Roswitha konnte kaum reden und sah sich in dem sonderbaren Zimmer um, dessen grau und verstaubt aussehende Wände in schmale Goldleisten ge­faßt waren. Endlich aber fand sie sich und sagte, daß der gnädige Herr nun wieder aus Glah zurück sei; der alte Kaiser habe gesagt,sechs Wochen in solchem Falle sei gerade genug," und auf den Tag, wo der gnädige Herr wieder da sein würde, darauf habe sie bloß gewartet, wegen Annie, die doch eine Aufsicht haben müsse- Denn Johanna sei Wohl eine sehr propre Person, aber sie sei doch noch zu hübsch und beschäftige sich noch zu viel mit sich selbst und denke vielleicht Gott weiß was Alles. Aber nun, wo der gnädige Herr wieder aufpassen und in Allem nach dem Rechten sehen könne, da habe sie fich's doch anthun wollen und 'mal sehen, wie's der gnädigen Frau gehe. . .

Das ist recht, Roswitha..."

. . Und habe 'mal sehen wollen, ob der gnädigen Frau was fehle und ob sie sie vielleicht brauche, dann wolle sie gleich hier bleiben und beispringen und Alles machen und dafür sorgen, daß es der gnädigen Frau wieder gut ginge.

Effi hatte sich in die Sophaecke zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Aber mit eins richtete sie sich aus und sagte:Ja, Roswitha, was Du da

sagst, das ist ein Gedanke; das ist 'was. Denn Du mußt wissen, ich bleibe hier nicht in dieser Pension, ich habe da weiterhin eine Wohnung gemiethet und auch Einrichtung besorgt und in drei Tagen will ich da einziehen. Und wenn ich da mit Dir ankäme und zu Dir sagen könnte: ,Nein, Roswitha, da nicht, der Schrank muß dahin und der Spiegel da', ja, das wäre was, das