Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

damas, so oft er auch handelnd und Rath ertheilend eintritt, doch nichts, das einer Entwicklung fähig wäre. Wie Aeneas selber greift er ein ohne charakteri­stische Zeichen eigenthümlicher Natur. Gleich Jdomenens spielt er eine Rolle, die keines Abschlusses bedarf. Ein tragischer Untergang würde zu viel Licht aus ihn fallen lassen ch.

Bemerken wir, wie der Schluß der Episode des Euphorbos ins Malerische übergeht. Der Nacken, aus dem die Lanzenspitze hervordringt. Das frauen­haft schöne Haar, mit Gold und Silber durchflochten, in das das Blut hinein- siießt. Das herrliche Bild des in Vlüthe stehenden jungen, schlanken Oel- baumes. Schon vorher hatte Homer, seiner Art nach, die junge Kuh, die um ihr erstgeborenes Kalb umhergeht, mitten in die Schlacht hineingebracht, und so nun den in tiefer Stille emporschießenden Oelbaum. Wie sicher verbindet er das mit dem Berichte der Schlacht und wie gibt er in dem sich anschließen­den Bilde des die junge Kuh zerreißenden Löwen den Weg in die Schlacht zurück. Und wiederum vereint sich unwillkürlich dieses Bild mit dem vorher­gehenden, als ob von derselben Kuh die Rede sei. Man empfindet beim Ein­gänge des siebzehnten Gesanges, wie Homer nun seinen Stil gefunden hat und in den leichtesten Uebergängen die seine Phantasie beherrschenden Bilder an­bringt. Bemerken wir auch, eine wie andere innere Fügung die Geschichte des Panthos und seiner Söhne hat, verglichen mit der des Sarpedon. Bei Sarpedon liegt das Tragische darin, daß Zeus ihn immer wieder rettet, um ihn zuletzt doch untergehen zu lassen; bei Euphorbos und Hyperenor findet eine den Charakteren entspringende Nothwendigkeit statt. Hyperenor reizt Agamemnon (wie uns freilich nur erzählt wird) durch höhnische Reden auf Menelaos. Euphorbos, klug und vorsichtig von Natur, hört den Untergang seines Bruders und wagt es, blindlings Menelaos anzugreisen. So bricht das Glück der Brüder zusammen.

Bemerken wir nun aber, wie Homer, dem früheren Verfahren entsprechend, das er Agamemnon gegenüber, bei dessen Aristeia, inne hielt, gerade an dieser Stelle des Gedichtes, wo des Menelaos Aristeia beginnt, die Nachrede über Menelaos' unkriegerisches Wesen wieder vorbringt und wie er ihm die Zer­störung des Glückes der Dardanischen Familie ausbürdet. In derselben Weise waren vorher die Thaten des Agamemnon mit einem vorwurfsvollen Bei­geschmäcke versehen worden, und in dem, was folgt, werden wir eine noch stärkere Zumischung böser Eindrücke empfinden. Wir dürfen nicht unbemerkt lassen, mit welcher Hartnäckigkeit Homer dies Charakteristische der beiden Söhne des Atrens durchführt und wie es zuweilen durch Contraste zur Erscheinung gebracht wird.

Homer läßt Menelaos endlich nun die Situation beherrschen. Noch einmal wird dem Gatten Helena's Gelegenheit gegeben, zu beweisen, daß es der Mühe Werth war, seinetwegen nach Troja zu ziehen. Menelaos ist bis dahin nur so mitgelaufen: jetzt tritt eine Entscheidung höchster Art an ihn heran, und er be-

Die Gestalt des Euphorbos wirkte in Griechenland so lebendig fort, daß Pythagoras von sich behauptet haben soll, die Seele des Euphorbos sei in die seinige ubergegangen.