Heft 
(1894) 82
Seite
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Der Tod des Patroklos.

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Glaukos tritt im zweiten Gesänge, gleich Diomedes, prachtvoll ein, als habe Homer viel mit ihm vor. Die berühmte Begegnung, wie Glaukos und Dio­medes einander als Sprößlinge durch alte Gastfreundschaft verbundener Familien erkennen und die Waffen tauschen. Die Geschichte der Herkunft des Glaukos empfangen wir hier. Das gleiche Element soldatischer Ehrenhaftigkeit ist in bei­den verkörpert. Damit nun aber scheint Glaukos so gut wie abgethan: ergibt als Schatten des Sarpedon an diesen alles Licht ab. Mit Sarpedon stürmt er die griechischen Verschanzungen, Wird verwundet, steht Sarpedon dann in dessen letzten Augenblicken wieder bei und empfängt des Sterbenden Ver- mächtniß, die Lykier mit doppelter Kraft in den Kampf zu führen.

Das Herz noch voll vom Verluste des Sarpedon, glaubt Glaukos dessen Leichnam und Waffen im Besitze der Griechen. Sein einziger Gedanke ist, daß sie zur Herausgabe gezwungen werden. Wie Diomedes einst Agamemnon Mangel an Muth vorgeworfen hatte, stellt Glaukos Hektor jetzt zur Rede:

Bloßes Scheinbild du der Tapferkeit!

Rette die Stadt mit deinen Troern allein jetzt,

Denn wir Lykier sind des ewigen Kampfes Und des Undanks satt. Wer möchte denn Dir noch vertrauen? Der du den edlen Sarpedon,

Deinen Gastfrennd, deinen Genossen verließest,

Daß er den Griechen zum Raub und zur Beute werde?

Der, so lange noch Leben in ihm war,

Dir und der Stadt so große Dienste geleistet,

Und nun fressen die Hunde seine Leiche!

Doch wir Lykier gehn! Wenn euch Trojanern Noch eine Spur von Kühnheit inne wohnte,

Rissen wir jetzt Patroklos zu uns hinüber!

Und da würden die Griechen schon erscheinen,

Um mit Sarpedon's Leiche und seiner Rüstung Des Patroklos Leiche und Waffen zu taufen.

Doch du wagst des mächtigen Aias Blicken,

Schwächling! nicht mit den deinen zu begegnen.

Und es entgegnete Hektor: Solch ein Mann Schwatzt so thöricht! Und ich hätte geglaubt,

Mehr seist du als die Andern, doch ich irrte.

Aias' ungeheure Riesengestalt

Fürchte ich nicht, Zeus aber haucht dem Besten

Furcht oder Muth in die Seele, wie ihm gut dünkt.

Doch jetzt halte dich zu mir und gieb Acht,

Was ich vollbringe und ob von allen Griechen Einer, und wenn er noch so viel vermöchte,

Von dem todten Patroklos mich zurückhält.

Und mit gewaltiger Stimme rief er: Troer!

Lykier! Haltet Stand bis ich wieder erscheine!

Und im Laufe die Leute bald erreichend,

Die die Waffen der Stadt zuführen sollten,

Stand er abseits und hüllte sich in Achill's Rüstung, die einst die mächtigen Uranionen Peleus schenkten, dem Vater Achill's; der gab sie,

Hochbetagt, seinem Sohne; doch der sollte Nicht in ihnen hohe Tage erreichen.