Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Doch Zeus, der den Wolken die Wege weist,

Sah von ferne Hektar in des göttlichen Peleussohnes Waffen gerüstet dastehn,

Schüttelt das Haupt und redete mit sich selber: Wenn du wüßtest, wie nahe dir der Tod ist!

Dieses Haupts und dieser Schultern Wehr Durftest du dir nicht nehmen! Doch noch einmal Soll gewaltige Kraft jetzt dich durchströmen,

Zum Ersatz, weil dir nach diesem Kampfe Nicht Andromache mehr die Waffen abnimmt.

Und mit den dunklen Brauen nickte Kronion, Machte die Waffen an Hektor's Gliedern fest,

Und des Ares Athem erfüllte die Brust ihm. Glänzend dastehend, brüllt er die Seinen an: Tausendfältigen Volkes Kriegsgenossen,

Nicht soldatischen Schaugeprünges wegen Rief ich aus euren Städten euch hierher,

Nein! die troischen Frauen und Kinder sollt ihr Retten vor den Achäern, deshalb zahl' ich Solchen Lohn: Sieg oder Verderben gilt es!

Mit dem, der des Patroklos Leiche herbeischafft, Theil' ich die Beute des Tages, halb und halb,

Daß er so viel wie ich selbst an Ruhm davon trägt! Und mit gehobenen Speeren führte das Heer Er auf die Griechen los und auf den Aias,

Ihnen Patroklos' Leichnam zu entreißen.

Bemerken wir, wie neben dem Appell an das reinmenschliche Gefühl der Trojaner die Berechnung der Beute doch den Abschluß der Rede Hektor's bildet. Dieser geschäftliche Standpunkt ist Griechen und Trojanern gemein, und es gehört, woraus schon hingewiesen wurde, zu den Eigenthümlichkeiten nur Achill's, ihn zuweilen zu vergessen.

Aias erkennt bei Hektor's Angriffe die veränderte Lage der Dinge. Aus sein Geheiß jetzt schreit Menelaos nach Hülfe, soweit sein Ruf die griechischen Fürsten zu erreichen vermag, und der Kamps um die Leiche des Patroklos be­ginnt, das Ringen, dessen Schilderung von keines anderen Dichters Worten jemals überboten worden ist. Der Verzweiflungskampf der Burgundern welcher den Schluß des Nibelungenliedes bildet, würde sich zu gleicher Höhe erheben, käme der deutsche Dichter dem der Ilias darin gleich, daß er, wie bis zum siebzehnten Gesänge auch Homer gethan, nicht immer nur einzelne Helden gegeneinander darstellte. Um den Patroklos aber entspinnt sich ein Massen­kampf all der Tapfersten, die aus troischer und griechischer Seite noch übrig sind. Die Gabe, Licht und Schatten zur Erhöhung seiner Effecte zu verwenden, kommt Homer bei der Darstellung des Gewühls zu Hülfe. Er läßt die in­mitten der allgemeinen Schlacht um die Leiche des Patroklos Kämpfenden von Dunkelheit umzogen werden, die sich allmälig bis zur Finsterniß steigert. So spielt in den Gefechten der neueren Zeit der die Bewegungen verhüllende Pnlver- damps eine Rolle. Während Griechen und Trojaner sich im heißen Sonnen­scheine gegenseitig zu vernichten suchen, und am Firmamente kein Wölkchen zu