Heft 
(1894) 82
Seite
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Der Tod des Patroklos.

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ersehen ist, so daß die Hitze den Kamps allmälig erlahmen läßt, steigt an der einen von Dunkel umwallten Stelle unablässigeisernes Getöse" zum Himmel von Erz" auf.

Wir fühlen, nur Achill vermöge hier den Ausschlag zu geben, und der Moment nähere sich, wo sein Sinn gebrochen wird, und er die Ereignisse wieder beherrscht. Ohne Vorbereitung aber läßt Homer nichts Entscheidendes geschehen: Homer's erste Erinnerung an Achill bei dieser neuen Lage der Dinge ist, seiner Art nach, ein bloßes Einsprengsel in die Erzählung.

Doch nichts wußte Achill vom Fall des Patroklos,

Da dicht unter den Mauern der Stadt gekämpft ward.

Von den Thoren Ilions werde sein Freund Siegreich wiederkehren, war seine Hoffnung.

Denn die Mutter hatte Achill vertraut:

Weder mit ihm noch ohne ihn werde Patroklos Jlion's Stätte betreten! Und daran glaubt' er.

Aber die Mutter hatte nicht Alles gesagt!

Und so sank sein liebster Genosse dahin,

Ohne daß ihm bewußt war, was geschehn sei.

Auf diese verbindungslos eingestreuten Verse folgen dann wieder vierzig Verse Schlachtbericht mit dem eben angeführten Schlüsse:

Eisern gellt' es empor, durch der unfruchtbaren Lüfte Bereich zum erzenen Himmel aufwärts.

An solchen Stellen wird die Wiedergabe der Sprache Homer's zur Un­möglichkeit. Es ist, als tönte, was er schildern will, nur aus den griechischen Worten heraus. Deutsche Worte vermögen nicht das nachzntönen.

Aus der ersten Erwähnung Achill's, deren abrupte Art, wie ich im Hinblick aus Aehnliches in früheren Gesängen wiederhole, zu den bewußt angewandten Knnstmitteln des Dichters gehört, geht noch nicht hervor, wie die Todes­nachricht Achill erreichen wird. Völlig unvorbereitet war er nicht, denn was er befürchtete war beim Auszuge des Patroklos von Homer bereits aus­gesprochen worden. Erinnern wir uns an die eigne Erfahrung, wie wir bei großen Krankheiten uns nahe Stehender vom Anfang an deren tödtlichen Verlauf voraussehen, in den Momenten höchster Gefahr dann aber nicht daran glauben, sondern an jedes günstige Zeichen hoffnungsvoll uns anklammern. In einer abermals eingestreuten Episode rückt die Trauerbotschaft Achill schon näher: die Rosse an seinem verwaisten Wagen wissen, daß Patroklos gefallen sei. Was Homer hier berichtet, leitet uns zugleich in das Gebiet des Ueber- natürlichen ein, das die Scene nun bald beherrschen wird.

Doch des Achilleus Rosse, seitwärts stehend,

Weinten als sie vernahmen, daß Patroklos

Todt in den Staub sank. Fruchtlos suchte Automedon

Erst mit der Geißel, dann mit Schmeichelworten,

Dann mit Drohen und Schelten sie anzutreiben:

Vorwärts wollten sie nicht: nicht zu den Schiffen.