Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

lieber das Joch hinüber hängen ihre wallenden Mähnen zum Boden hinab, und Zeus jammert ihrer. Abermals das unsterbliche Haupt schüttelnd redet er so sich selbst an:

Warum schenkten wir euch, unselige Rosse,

Die unalternd ihr seid und unsterblich, dem Sterblichen,

Nur, um menschliches Leiden mit zu erleben?

Denn von Allem, was da kreucht und athmet,

Ist kein Wesen so elend wie der Mensch doch.

Aber mit euch und eurem strahlenden Wagen Soll der Sohn des Priamos nicht sich brüsten!

Niemals! Schon zu viel, daß er der Waffen Prahlerisch rühmen sich darf, die ihn umglünzen!

Euch will ich Muth und Gewalt in die Glieder gießen,

Daß ihr Automedon zu den Schiffen rettet.

Denn noch müssen die Troer siegreich bleiben

Bis zum Sinken des Tags, wenn das Dunkel aufsteigt.

Zeus sieht also auch bei den Thieren aus das Rangverhältniß. Früher schon hatte Hektar dagegen verstoßen, als er Achill's unsterbliches Gespann dem Dolon versprach: nun der zweite Verstoß, da er es sür sich selbst einzu- sangen sucht. Eine herrliche Scene solgt: aus eignem Antrieb greifen die Rosse die Trojaner an. Das unzähmbare Vorwärtsstürmen der Pferde ver­stärkt unser Gefühl, auch Achill werde bald nicht mehr zu halten sein.

Weitere Vorbereitungen dieses Momentes treten bald hinzu: aus jeder Stufe dieses Fortschrittes aber läßt uns der Dichter verweilen. In voll­endeter Knnsterfahrung leitet er uns mit zögernder Hand weiter. Es liegt nicht im Zwecke dieser Arbeit, den Theil des 17. Gesanges von Vers 450 bis 590 im Einzelnen zu geben, der die Schlacht vom freiwilligen Kampfe der Rosse gegen die Trojaner bis zu dem Augenblicke erzählt, wo die Griechen trotz allem dem Lager zuflüchten. Ich bitte diese 140 Verse bei Stolberg zu lesen, dessen Hexameter unseren Ansprüchen zwar nicht genügen, der in der Wahl der Worte aber Homer hier näher kommt als Voß. Wunderbar wird ge­schildert, Wie das Gefühl, zu unterliegen, die Griechen in immer weiteren Kreisen durchdringt. Wie Aias und Menelaos zum Entschlüsse gelangen, den Leichnam des Patroklos nicht mehr an Ort und Stelle zu vertheidigen, sondern ihn den Schiffen zuzutragen. Da hören Wir Aias endlich mitten in der Nacht, die Zeus über die um Patroklos Kämpfenden verbreitet hatte, nach Achill rufen:

Wollte doch Einer jetzt Achill verkünden,

Daß Patroklos dahinsank! Aber Niemanden Kann ich erkennen Alle hüllt uns die Nacht ein!

Zeus! Entreiße der Griechen Söhne der Finsterniß Und verdirb uns im Lichte, wenn es sein soll!

Und des Weinenden jammerte Zeus Kronion Und die Sonne leuchtete über der Schlacht.

Und zu Menelaos wandte sich Aias:

Siehst du Antilochos wo? Der soll Achill Nachricht geben, daß Patroklos todt ist.