Heft 
(1894) 82
Seite
386
Einzelbild herunterladen

386

Deutsche Rundschau.

grünen Farben auf. Das Auge folgt der Küste bis zu den goldenen Inseln. Im Osten liegt vor uns der Golf de la Napoule und Cannes fast in greif­barer Nähe. Die Inseln von Lerin tauchen grün wie Smaragde hervor aus der goldigen Fluth. Wir sehen sie jetzt alle zu einer leuchtenden Gruppe vereinigt, voran die Insel St. Marguorite, dann St. Honorat, und neben ihr im Osten die kleine St. Fsrool; dahinter taucht das Cap d'Antibes seine belaubten User in die Fluthen: es springt so weit vor in die See, als wollte es dieses eine Meer in zwei Meere theilen. Jenseits der Baie des Auges, der breiten Engelsbucht, glänzt das Weiße Nizza im Halbkreis an grünen Hügelketten, und dann erheben sich Berge hinter Bergen, bis jenseits Bordighera die Umrisse der Küste verschwimmen.

Ich las vor Jahren, daß aus der kleinen Insel St. Foräol das Grab von Paganini sich befunden habe. Diese Angabe ist in französischen Werken verbreitet. Sie führen an, Paganini sei in Nizza, im Mai 1840, an der Cholera verschieden: sein Sohn Achille habe die Leiche auf einem Schiffe nach Genua geführt, um den Vater an dessen Geburtsorte zu bestatten. Die Geist­lichkeit verweigerte aber das Begräbniß dem Manne, von dem es hieß, er habe sich dem Satan verschrieben. Auch das Municipio ließ die Ausschiffung des Körpers wegen Choleragefahr nicht zu. So versuchte der Sohn in Marseille zu landen, doch wieder ohne Erfolg. Als er auch in Cannes ab­gewiesen wurde, entschloß er sich, den Sarg des Nachts aus die kleine un­bewohnte Insel zu bringen und dort, von Stürmen ost umbraust, lag der Todte fünf Jahre lang. Erst im Mai 1845 kehrte der Sohn wieder, nachdem es ihm gestattet worden war, den Vater zu begraben an der Kirche von Gajona bei Parma, unfern der Villa, die Paganini dort erworben hatte. Diese Erzählung kam mir schon einmal in den Sinn, als ich in dem herr­lichen vallaro voria Nursi, dem jetzigen UglgrM ciel Nuuieixio in Genua, die Geige Paganini's sah. Das War in den Tagen der Columbianischen Feste, Wo die Mitglieder der wissenschaftlichen Kongresse im Municipio durch den Sindaco empfangen wurden. Die Geige, eine Guarneri, der einst Paganini dämonische Töne zu entlocken gewußt, bewahrt man wie eine Reliquie in einem kostbaren Schrein; man hatte sie zu dem Feste mit seidenen Bändern in italienischen Farben geschmückt. Daran dachte ich jetzt, da ich die kleine Insel St. Färäol vor mir im Meere liegen sah. Die heitere Landschaft stimmte freilich nicht zu dem unheimlichen Geiste Paganini's. Doch Wohl müßte es ihm sein auf jenem Felsenriff, wenn die entfesselten Elemente die brandenden Wogen über denselben treiben und der Wind klagend über der Meeresfläche pfeift. Da ist es die Natur, welche Schaudergeschichten auf ihrer 6-Saite spielt, so wie er sie einst auf jener Saite seinen erregten Zuhörern zu erzählen wußte. Ja, das Grab Paganini's paßt sicherlich besser in die wilde Brandung als auf einen stillen Friedhof, das war mir jetzt völlig klar! Wie schade, daß die Geschichte erdichtet ist. In Wirklichkeit starb Paganini in der Via Lanta IloxargtL zu Nizza an der Kehlkopfschwindsucht und nicht an der Cholera. Da er die Sterbesacramente nicht empfangen hatte, verweigerte die Geistlichkeit seine kirchliche Bestattung, und diese konnte