Heft 
(1894) 82
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Botanische Streifzüge an der Riviera.

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all' des alten Glückes und der alten Sorgen sich nicht bewußt. Sie glichen Blumenbeeten, die eine Wünschelruthe aus der Tiefe hervorgezaubert hätte.

Wir steigen den Berg hinab und gelangen wieder ans Ufer an jenem Eisenbahnbogen, an dem wir es zuvor verlassen. Wir befinden uns hier auf dem aurelianischen Strande; hier bog landeinwärts die ältere römische Straße ein, um dem Einschnitt zwischen den Bergen zu folgen. Wir sehen unseren Weg in östlicher Richtung fort, um den südlichsten Vorsprung des Esterel, das eigentliche Cap Roux zu erreichen. Der Weg umsäumt alle Einschnitte der Küste. Hier überschreitet er einen hohen Felsen, dort senkt er sich bis an das Meer hinab. Leise Wellen schlagen an das Ufer, kaum nmfranzt von leichtem Schaum. Durch die krystallhelle Fluth dringt unser Auge bis auf den tiefen Grund. Es sieht dort in purpurnen Mulden räthselhaste Dinge liegen, die in bunten Farben gleich Edelsteinen funkeln. Die proven^alische Sonne über­gießt uns mit ihrem Glanz; auch das Meer und die Felsen strahlen uns Licht entgegen. Die ganze Luft zittert über dem erhitzten Boden. Alles leuchtet und flimmert um uns her; die Ferne schwindet in goldigem Nebel, und der Weiße Schnee der Alpen scheint jetzt über einem Abgrund zu schweben.

Wie kommt es nur, daß sie so rein und so klar sind, diese herrlichen Fluthen des Mittelmeeres?; tragen doch Flüsse und Bäche fort und fort Schlamm und Erde dem Meere zu; nagen doch seine Wellen unaufhörlich an dem weit ausgedehnten Ufer. Die Klarheit des Seewassers wird durch seinen Salzgehalt bewirkt. Trübes Flußwasser, sich selbst überlassen, braucht sehr lange Zeit, um sich zu klären, doch genügt es, eine Spur Kochsalz hinzu- zusügen, damit diese Klärung äußerst rasch erfolge. Je mehr Salz das See­wasser enthält, um so blauer pflegt es auch zu erscheinen, daher das salzreiche Mittelmeer durch die Intensität seiner Färbung ausgezeichnet ist. In vier­hundert Meter Tiefe erlöschen die letzten Strahlen des Lichtes, welches in das Seewasser dringt. Weiter hinab herrscht ewige Dunkelheit. Die verschieden­artigen Strahlen, welche das Weiße Sonnenlicht zusammensetzen, und die unser Auge als verschiedene Farben empfindet, werden nicht gleich schnell im Meere resorbirt. In zwei Nieter Tiefe ist schon die Hälfte der rothen und ein Drittel der orangegelben Strahlen verschwunden; das Licht, das tiefer dringt, ist jetzt nicht mehr weiß, es ist vorherrschend grün und blau geworden. Das bedingt die Färbung des Meeres. Da der Salzgehalt des Wassers auf den Vorgang der Strahlenabsorption einen Einfluß übt, so beeinflußt er auch die Farbeneffecte. Die glatte Meeresfläche wirft das meiste Licht unverändert Zurück. Spiegelt sich in ihr die Sonne, so leuchtet sie daher in deren Glanz, während sie der Abendhimmel in Purpurtönen färbt. Von den aufsteigenden Wellen der bewegten See wird dagegen nur wenig Licht zurückgeworfen, daher uns das Meer dann besonders dunkel erscheint.

X.

Gegen Abend wanderten wir hinaus zum Strande von St. Aigulf. Wir wollten das Esterel noch einmal glühen sehen im Glanze der untergehenden Sonne. Es war ein farbenprächtiger Abend, still und mild, einer jener Abende,