Heft 
(1894) 82
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Botanische Streifzüge an der Riviera.

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essenz. Das Orangenblüthenöl, sowie die Orangenblüthenessenz, sind immer noch theuer, weil ihre Herstellung große Mengen von Blüthen verlangt. Die Preise werden freilich jetzt auch auf diesem Gebiete, wie auf so vielen anderen, durch Ueberproduction gedrückt. Die Masse der Orangenblüthen, die im letzten Jahre (1894) zum Verkauf angeboten wurde, war so groß, daß man statt 50 bis 75 Centimes nur noch 30 für das Kilogramm nahm; ja wo die Blüthen zu verderben drohten, gab man sie fast umsonst ab. Es stellten sich daher auch Zeichen der Entmuthigung unter den Producenten ein, welche die Parsümsabriken versorgen. Es dürfte an manchen Orten der Riviera die Cnltur der Parfümerie-Pflanzen ganz aufgegeben werden. Aehnlich sieht es dort auch mit der Zucht von Blumen für den Versandt jetzt aus. Als der Bedarf nach diesen stieg, beeilten sich die Landbesitzer, ihre Olivenbäume zu fällen und Blüthenpflanzungen an deren Stelle anzulegen; jetzt wissen sie kaum, wo sie ihre Blüthen unterbringen sollen. Die hohe Temperatur forderte zudem im letzten Frühjahr die rasche Entwicklung der Pflanzen, und so kam es, daß man aus den Märkten der Städte zu einem kaum nennenswerthen Preise, sich mit großen Sträußen der herrlichsten Blumen beladen konnte.

Noch wesentlich billiger als Neroliöl ist begreiflicher Weise das durch Destillation der Blätter oder unreifer Früchte des bitterfrüchtigen Orangen­baumes gewonnene Petitgrainöl. Es steht an Zartheit des Duftes dem Neroliöl aber bedeutend nach. Das aus den Blüthen der süßen Orange hergestellte Parfüm zeichnet sich wiederum durch besondere Eigenschaften aus und wird als Neroli-Portugalöl bezeichnet. Das den frischen Schalen reifer Früchte des süßsrüchtigen Orangenbaumes entstammende Pomeranzenöl wird im Winter gewonnen. Wie viel ätherisches Oel in den Orangenschalen vor­handen ist, davon kann man sich überzeugen, wenn man eine solche Schale in der Nähe einer Flamme zusammendrückt. Das leicht entzündliche Oel sprüht dann entbrennend aus den Drüsen hervor. Die Oeldrüsen in der Schale er­kennt man schon mit dem bloßen Auge.

In der Parfümerie findet nur das Oel der süßen, nicht der bitteren Orange Verwendung, und auch ersteres nur in beschränktem Maße. Das Verfahren bei der Gewinnung im Großen ist das der Pressung. Entweder kommt die Schwammmethode in Anwendung, wobei der Arbeiter die Schalen, die er lang­sam unter Druck zwischen den Fingern durchrollt, gegen einen Schwamm preßt; oder das Verfahren der sogenannten Ecuelle, wobei die Frucht unter beständigem Drehen gegen die Innenfläche eines flachen Trichters, der zahl­reiche Nadeln entspringen, gedrückt wird. Das gewonnene Oel preßt man im ersten Falle aus dem Schwamme heraus, im zweiten fließt es von selbst durch die Oeffnung des Trichters ab. In ganz entsprechender Weise gewinnt man auch seines Bergamottöl aus den reifen Früchten des Bergamottcitronenbaumes (Oitrus Lörgamm). Das weniger feine Bergamottöl befreit man hingegen aus den Früchten durch Destillation. Feines Bergamottöl wird in der Par­fümerie sehr geschätzt; die Riviera erzeugt es nur in geringer Menge; es kommt vornehmlich aus Reggio und Messina.