Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Zimmer verstäubt auf die Athmenden ausüben. Besonders stellt sich diese Wirkung ein beim Verstäuben jener flüchtigen Oele, welche die Chemie als Terpene zusammenfaßt, Weil sich diese an der Luft am schnellsten oxydiren.

Physiologisch interessant ist es, an Parfüms die hohe Leistungsfähigkeit unseres Geruchssinns zu erproben. Einige Milligramm Moschus reichen aus, um einen Raum, der häufig gelüftet wird, Jahre lang mit Moschusduft zu erfüllen. Wir riechen diesen Moschus, und doch kann er in jener Lust, die uns umgibt, nur in unnennbar geringen Mengen vorhanden sein. Dabei steht die Leistungsfähigkeit des Geruchssinns beim Menschen gegen denjenigen vieler Thiere noch bedeutend nach.

XV.

Das gediegene Buch von Heinrich Hirzel:Die Toiletten-Chemie", dem ich auch sonst noch manche Belehrung verdanke, enthält die Angabe, daß Europa an flüssigen Parfüms allein jährlich über eine Million Liter ver­braucht. An der Deckung dieses Bedarfs ist Graste mit etwa 100000 Kilo­gramm Lavendelöl, halb so viel Thymianöl, 25000 Kilogramm Rosmarinöl, 2000 Kilogramm Neroliöl und sehr beträchtlichen Mengen anderer Oele und Extracte betheiligt. Nicht wenig wird Graste in der Parfüm-Erzeugung durch das benachbarte Cannes unterstützt, das mehrere Parsümfabriken besitzt und Hunderte von Arbeitern in ihnen beschäftigt. Der Verbrauch an Parfüms in Europa, wiewohl immer noch groß, ist doch beträchtlich zurückgegangen und wird nur, wenn überhaupt, in discretester Weise geübt. So verhält es sich auch in andern kühlen Ländern, während die heißen Erdstriche noch immer ein hohes Bedürfniß nach persönlichem Parfüm bekunden. Obenan in dieser Beziehung steht der Orient, dessen Leistungen trotzdem noch gegen diejenigen des elastischen Alterthums bedeutend zurückstehen. Bezeichnend für jene Zeit ist die Erzählung des Plinius, vom Lucius Plocius, an welchem der Dust zum Verräther geworden. Dieser Lucius Plocius, dessen Bruder Lucius Plancus zweimal das Consulat bekleidet hatte, wurde von den Triumvirn geächtet und mußte fliehen. Er verbarg sich im Salernitanischen, wo man ihn entdeckte, weil er so stark nach Salben roch. Er mußte den Tod erleiden, was Plinius nicht ohne einige Genugthuung erzählt, so empörte ihn der Mißbrauch, den man mit Parfüms damals trieb. Daß heute Jemand von wohlriechenden Salben und Oelen triefen sollte, wie es im Orient und in Griechenland zu alten Zeiten oft geschah, können wir uns kaum vorstellen. Wir empfinden eine entschiedene Abneigung selbst gegen fettige Hände und suchen solche möglichst rasch zu säubern. Oel oder Pomade werden allenfalls noch im Haar geduldet, sonst nur alkoholische Extracte benutzt. Im Alter­thum parfümirte man sich hingegen ausschließlich mit duftenden Oelen. Das erste flüssige Parfüm, wie wir es jetzt benutzen, soll Mercutio Frangipani dargestellt haben, der ein von seinen Vorfahren erfundenes, aus Gewürzen und Moschus zusammengesetztes Riechpulver mit starkem Weingeist extrahirte. Dieser Frangipani gehörte einem römischen Adelsgeschlecht an, das sich im zwölften und dreizehnten Jahrhundert in den Kämpfen der Guelsen und