Das Religions-Parlament in Chicago.
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Akbar arbeitete und ihn bewog, Vertreter aller Religionen nach Delhi zu berufen, war Wohl derselbe, der sich in den Herzen der Männer regte, welche die Idee eines Religions-Parlaments in Amerika ergriffen und ins Werk setzten. Aber erstens war die Zahl der in Chicago vertretenen Religionen weit größer als in Delhi, zweitens waren die persönlichen Absichten Akbar's ganz anderer Art. Hier muß ich von Neuem sagen, daß ich nicht im Geringsten daran denke, die Verdienste Akbar's zu bekritteln oder herabzuziehen. Akbar ist ein Charakter, der einzig in der Geschichte dasteht, und dessen tiefste Quellen noch lange nicht klar gelegt sind. Er war mißmuthig gegen seine eigene Religion gestimmt; und ein Kaiser, der durch seine damals die Welt beherrschende Religion, den Islam, sich nicht nur unbefriedigt fühlte, sondern diese Unbe- sriedigung öffentlich aussprach, muß jedenfalls ein Mann von Nachdenken, voll Ehrlichkeit und von Muth gewesen sein. Wir besitzen glücklicherweise über ihn die Nachrichten von Feinden sowohl als von Freunden, von seinem Anhänger Abu Fazl sowohl als von seinem Gegner Badäonl. (Siehe lutrociuetion Io tÜ6 Leisnea ok Ilslio-ion, S. 209—235.)
Akbar trug sich offenbar mit dem Gedanken, eine neue und reinere Religion zu begründen, und zu diesem Zwecke wünschte er sich mit den Hauptreligionen der damaligen Zeit bekannt zu machen. Zuerst wollte er Klarheit über seine eigene Religion erhalten, und er berief deshalb einige der gelehrtesten Ulemahs zu sich, damit sie in seiner Gegenwart ihre Ansichten über schwierige Punkte des Islam vortragen und austauschen sollten. Dieser Versuch scheint kein glücklicher gewesen zu sein, denn Badäonl berichtet, daß den Ulemahs der Kamm gar gewaltig schwoll und sie einen unerhörten Streit und Lärm am Hof machten. Der Kaiser erklärte danach an Badäom', daß Alle, welche sich nicht anständig betragen könnten und nichts als Unsinn redeten, den Hof verlassen sollten, worauf Badäonl erwiderte, daß dann Wohl Niemand von den geistlichen Herren übrig bleiben würde. Nichts der Art scheint in Chicago vorgekommen zu sein. Akbar that Alles, was in seinen Kräften stand, um sich eine genaue Kenntniß seiner eigenen und anderen Religionen zu verschaffen, aber das Glück war ihm nicht so günstig wie dem Präsidenten der Versammlung in Chicago. Juden und Christen stellten sich zwar ein und erhielten vom Kaiser den Auftrag, ihre heiligen Bücher, das Alte und das Neue Testament für ihn zu übersetzen. Man erzählt von christlichen Missionären, z. B. Rodolpho Aquaviva, Antonio de Monferrato, Francisco Enriques und Anderen, die damals frei in Indien Verkehren durften, ja es verbreiteten sich Gerüchte, daß der Kaiser selbst ihnen Gehör geschenkt, und daß er im Geheimen zum Christenthum übergetreten sei.
Man hat dies Gerücht oft wiederholt, aber Akbar würde wahrscheinlich am Christenthum dasselbe ausgesetzt haben, was ihn im Islam mißfiel, denn der Islam ist ja in den meisten Glaubensartikeln nicht wesentlich vom Christen- Ihum verschieden. Was Akbar zunächst im Auge hatte, war: sich mit andern Religionen aus erster Hand bekannt zu machen. Zu diesem Zwecke stellte er eine Anzahl von Uebersetzern an und brachte eine große Menge von Handschriften und Büchern in der Kaiserlichen Bibliothek zusammen. Aber selbst