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Deutsche Rundschau.
hierbei ging es nicht immer nach seinem Wunsch. Kein Brahmane wollte sich herablassen, den Veda, die alte Bibel Indiens, herbeizubringen oder gar eine Uebersetzung davon dem Kaiser vorzulegen. Was der Kaiser vom Veda wußte, war höchstens ein Theil des Atharva-Veda, wahrscheinlich nur die zu demselben gehörigen Upanischads. Noch war er glücklicher mit dem Avesta, obgleich man sagt, daß ein gewisser Ardeschir, offenbar ein Perser, ihm Theile davon übersetzt habe. Akbar's Minister und Geistesgenosse Abufazl war nicht im Stande, seinen Herrn einen Einblick in die buddhistische Religion zu verschaffen, und ob der Kaiser selbst den Wunsch hegte, die Religionen China's, die des Con- fucius oder die des Laotse, in das Bereich seiner Forschungen zu ziehen, ist mehr als zweifelhaft. Man muß auch nicht vergessen, daß bei all' diesen Verhandlungen zwischen Akbar und den Vertretern anderer Religionen es schwer^ ja unmöglich war, die Gegenwart eines Kaisers ganz zu vergessen. Und ein Kaiser in Delhi im 16 . Jahrhundert war eine Art von Zeus, dessen Anblick hinreichte, gewöhnliche Menschenkinder, wie eine Semele, zu betäuben und zu überwältigen. Und neben dem Kaiser standen die drohenden Vertreter des Islam, Leute, denen selbst ein Akbar nicht immer gewachsen war. So menschenfreundlich Akbar mit seinen täglichen Genossen sein konnte, sie wußten alle, daß ihr Leben in seiner Hand lag, und selbst Abufazl, der den größten Einfluß aus ihn ausübte, mußte immer auf seiner Hut vor Jntriguen der Moschee und des Harems sein. Er war zu der Ueberzeugung gekommen, und dies wird Wohl auch die Ueberzeugung Akbar's gewesen sein, „daß alle Religionen der Welt einen und denselben Grund haben". Aber doch war er vorsichtig in seinen Aeußerungen, denn er wußte, daß die Wahrheit nicht für die Menge gemacht sei. So schrieb er: „Einer denkt, er verehre Gott, wenn er nur seine Leidenschaften zügelt; ein Anderer übt sich, indem er über das Schicksal der Nation wacht. Die Religion von Tausenden besteht nur darin, daß sie sich fest an eine bloße Idee klammern, und sie sind vollkommen glücklich in ihrer geistigen Trägheit und Urtheilslosigkeit. Wenn aber die Zeit des Nachdenkens kommt und der Mensch die Vorurtheile seiner Erziehung abstreift, dann brechen die Faden des Gewebes religiöser Blindheit, und das Auge erblickt aus einmal die ganze Glorie der Harmonie. . . . Aber," fügt er hinzu, „der Strahl solcher Weisheit erleuchtet nicht jedes Haus, noch könnte jedes Herz solches Wissen vertragen." An einer andern Stelle klagt er, daß, obgleich manche Erleuchtung empfangen haben, doch die Meisten Schweigen beobachten, weil sie sich vor Fanatikern fürchten, die nach Blut dürsten, obwohl sie äußerlich wie Menschen aussehen. Ja sollte Jemand Muth fassen und seine aufgeklärteren Gedanken frei und offen aussprechen, so würden ihn die Frommen und Einfältigen für verrückt erklären und ihn unberücksichtigt bei Seite lassen, während andere unselige Bösewichte sogleich Häresie und Atheismus wittern und Alles thun würden, um ihm ans Leben zu gehen.
Dies ist nicht übel für einen Kaiserlichen Unterrichtsminister, den persönlichen Freund Akbar's, und also den Zeitgenossen Karl's des Fünften. Wären aber seine Bemerkungen, statt in den Tagen Luther's, zur Zeit von Strauß oder Harnack geschrieben, so würden sie durchaus nicht unzeitgemäß,