Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

Religion. Diese wollen sich durchaus nicht als bloße Buddhisten betrachtet wissen, in so vielen Dingen sie auch mit den Anhängern des Jina von Kapilavastu übereinstimmen. Wenn man aber den Ansprüchen der Jainas Gehör schenkt, so konnte man dasselbe auch den Sikhs nicht verweigern, denn auch diese haben ihre eigene Bibel, den Granth, und zählen über eine Million An­hänger, namentlich in den nordwestlichen Provinzen Indiens. Ihre Religion ist aber mehr ein Compromiß zwischen zwei Religionen, dem Brahmanismus und Mohammedanismus, als eine unabhängige Glaubensform, und, wie es scheint, war sie auf dem Congreß von Chicago durch Niemanden vertreten.

Alle anderen Religionen hatten ihre Sprecher, meistens Männer von an­erkannter Stellung in ihrer Heimath und in manchen Fällen direct von den Häuptern ihrer Religion beglaubigt. Nur zwei Religionen, oder richtiger eine Religion und ein Hauptzweig einer andern, hatten alle Betheiligung aus­drücklich durch ihre Häupter abgelehnt. Der Sultan als Chalis des Islams wollte oder konnte keinen Vertreter ernennen, da dies die Sache des Scheikh ul Islam gewesen wäre. Der Erzbischof von Canterburh, als Haupt der eng­lischen reformirten Kirche, hielt es für nicht gerathen, seinen Bischöfen die Er- laubniß zur Theilnahme an dem Congreß zu geben. In beiden Fällen lag Wohl ein bedauernswerthes Mißverständniß zu Grunde. Der jetzige Sultan ist ein aufgeklärter und einsichtsvoller Moslim, und wenn er genauer unter­richtet worden wäre, würde er gewiß nicht gewünscht haben, daß seine Religion ohne jegliche legitime Repräsentation aus einem Congreß aller Religionen bleiben sollte. Natürlich fehlte es nicht an unautorisirten Gesandten des Islam, und die christliche Religion, in ihren beiden Zweigen, dem reformirten wie dem unreformirten, ja namentlich auch die anglicanische bischöfliche Kirche, war trotz der erzbischöflichen Warnung fast zu zahlreich vertreten.

Daß in einem christlichen Lande wie Amerika die christliche Religion in starker Majorität erscheinen würde, war Wohl zu erwarten, obgleich man kaum erwarten konnte, daß die unreformirten Zweige, namentlich die römische und die griechische Kirche, ihre Cardinäle und Erzbischöfe zu diesem öcumenischen Concil senden würden. Es machte namentlich dem klaren Blick des jetzigen Papstes die größte Ehre, daß er die Bedeutung dieser religiösen Versammlung richtig erkannte und sich nicht abschrecken ließ, eine feste Stellung zu ihr zu nehmen. Die päpstliche Kirche hat dadurch entschieden an Ansehen in Amerika gewonnen und den ihr so oft gemachten Vorwurf der Engherzigkeit aus das Glänzendste widerlegt.

Die größte Ueberraschung bei der Eröffnung des Religionsparlaments in Chicago war aber die große Anzahl von Mitgliedern der fremden, außer­europäischen Religionen. Wer hätte dies erwartet, wenn man nur die Ent­fernungen und die Schwierigkeiten der Correspondenz mit Chinesen, Japanern, Persern und Hindus in Erwägung zieht! Hier erschienen in gedrängter Reihe Buddhisten und Schintoisten aus Japan, Schüler des Consucius und Laotse aus China, Parsis aus Bombay, Brahminen aus Calcutta und Benares. Nicht nur die alten Religionen, sondern auch ihre neuesten reformirten Secten hatten Sendboten geschickt. Hier erschien Mozumdar, der Schüler, Freund