Das Religions-Parlament in Chicago.
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And Nachfolger von Keschub Chunder Sen, hier sah man Dharmapäla, den unermüdlichen Reformator des Buddhismus in Ceylon. Ein Bruder des Königs von Siam war von Bangkok gekommen, um dem in feinem Vaterland herrschenden Buddhismus das Wort zu reden. Rabbiner aus allen Theilen der Welt vertheidigten ihre alte Religion in begeisterter Rede, und daß es nicht an christlichen Bischöfen, Erzbischöfen, ja kardinalen fehlte, ist schon erwähnt worden Man sagt sogar, daß der anwesende Cardinal möglicher Weise der nächste Statthalter des heiligen Petrus sein werde. Wie hatten sich diese Männer entschlossen, ihre Zeit und ihr Geld zu opfern für eine Versammlung, deren Charakter und Zweck nur Gegenstand der Vermuthung sein konnten?
Allen Nespect vor vr. Barro w s und seinen Mitarbeitern, die die nöthigen Mittel herbeischassten und eine von so hohem Erfolg gekrönte Correspondenz mit aller Herren Ländern und aller Länder Herren durchfuhren konnten! Aber man muß doch auch sagen, daß die Welt für ein solches Unternehmen reif war, ja daß die besten Geister daraus warteten und hofften. Man sehe nur die theologische und philosophische Literatur der jüngsten Zeit ein, und man wird entdecken, wie überall das Verlangen nach Vereinigung in religiösen Dingen hervorbricht, in engeren wie in weiteren Kreisen. Wenn auch die Idee einer Weltreligion sich nur in weiter Ferne zeigt, so war man doch mehr und mehr davon überzeugt, daß, wie schon Augustin gesagt, es keine Religion ohne alle Wahrheit gäbe, daß die Uebereinstimmungen zwischen den höchsten Religionen weit größer seien, als man früher geglaubt, daß viele von den streitigen Punkten unwesentliche Dinge beträfen, ja daß es vollkommen möglich sei für verschiedene Religionen, friedlich neben einander zu leben. Hindus und Mohammedaner in Indien haben uns gezeigt, daß Anhänger von zwei so verschiedenen Religionen, wie Brahmaismus und Islam, einträchtig zusammen leben können, wenn man sich nur begnügt, die Wahrheiten, welche beiden Religionen angehören, freudig anzuerkennen und die Verschiedenheiten zu dulden und zu respectiren, solange sie nicht mit der Vernunft und der Moralität in directem Widerspruch stehen. Solange Menschen Menschen sind, ist es nicht zu vermeiden, daß zuweilen leidenschaftliche Ausbrüche dies gute Einvernehmen stören, aber das Factum bleibt dennoch wahr, daß Hindutempel und Moscheen in derselben Straße stehen können und Jahrhunderte lang gestanden haben. Ebenso treten die Buddhisten mehr und mehr in engere Verbindung mit einander troh ihrer sectirenden Zerklüftung, ja selbst die beiden großen Zweige des Buddhismus, Mahäjune und Hinajäne, sehnen sich nach Vereinigung. In China ist es bekannt, wie der Kaiser den drei Staatsreligionen angehören muß und durch seine Anwesenheit bei den Versammlungen jeder dieser Religionen seinem Volke ein Beispiel der Toleranz gibt, damit sie lernen, daß ein Jeder, der die Gebote des Consucius, des Laotse oder Fo's (Buddha's) ehrlich erfüllt, Gott angenehm ist. Auch unter den Christen hat es nicht an llnionsversuchen gefehlt, aber es scheint fast, als ob, je unbedeutender die Verschiedenheiten, desto schwieriger eine gegenseitige Annäherung. Mögen Theologen eifern und geifern so viel sie wollen, sind denn im Lichte der wahren, ewigen Religion die unresormirten Christen nicht ebenso gut
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