Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

dieser Reihe von Bänden derLaersä LooI<8 ot tüs bläst" liegt das Ergebniß langer Kämpfe, tiefer Forschung, hoher Begeisterung, wie Männer sie durch- gekämpft haben, die den Geist der Wahrheit, den Geist Gottes in sich ver­spürten, denselben Geist, der die Herzen der Männer erfüllte, die im Religions- Parlament von Chicago in den Religionen der Vergangenheit die Religion der Zukunft erkannten mit den zwei einfachen Glaubenssätzen, Liebe zu Gott und Liebe zu den Menschen. Man vergesse nur nicht, was in Chicago geschah. Tausende von Männern und Frauen kamen jeden Morgen zusammen, und Mitglieder aller Religionen stimmten in das Vaterunser ein und sagten sich, was der Prophet Maleachi gesagt (II, lO):Denn haben wir nicht alle einen Vater? Hat uns nicht ein Gott geschaffen?" Als sie die sogenannten Heiden und Ungläubigen, die Chinesen, die Indier, die Perser, die Türken und die Juden, zusammen knieen sahen, verstanden sie Wohl, was Petrus meinte. Wenn er sagte:Nun erfahre ich in Wahrheit, daß Gott die Person nicht an- siehet, sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht thut, der ist ihm angenehm;" oder was Paulus dachte, wenn er in Athen ausrief:Gott hat gemacht, daß von einem Blute aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen, und hat Ziel gesetzet, zuvor versehen, wie lange und weit sie wohnen sollen, daß sie den Herrn suchen sollten, ob sie doch ihn fühlen und finden möchten; und zwar ist er nicht ferne von einem Jeglichen unter uns." Mögen die Theologen Folianten auf Folianten thürmen, voll von sogenannter Gottesgelehrsamkeit; Gottesfurcht und Gottesliebe sind sehr kurz und einfach, und der Kern dieser kurzen und einfachen Religion liegt, glaube ich, in jeder Religion, wenn auch oft in rauher, dicker Schale eingehüllt. Wenn die Versammlung in Chicago nur das Eine gelehrt hätte, daß es über und unter allen Religionen eine alte, ewige, allumfassende Religion gibt, zu der wir uns Alle bekennen können, ohne deshalb die Religion, in der wir und in der die anderen Völker der Erde geboren und erzogen sind, zu verwerfen, so hätte unser Jahrhundert einen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit erlebt wie kein anderes Jahrhundert. Es ist leicht zu sagen, daß man nicht zween Herren dienen, daß man nicht an einen wahren und einen falschen Gott glauben kann. Es handelt sich nicht um zwei Herren, sondern um einen und denselben Herren, nicht um einen falschen und einen wahren, sondern um einen und den­selben Gott, der nur verschieden aufgefaßt, vielleicht verschieden benannt wurde, aber benannt oder unbenannt, immer ein und derselbe ist und bleibt. Man braucht den Kaiser nicht zu hassen, weil man den König liebt, noch den König zu verachten, weil man dem Kaiser anhängt. Man soll nur lernen, daß Gott

///« ist. Man soll nur lernen, was selbst Krischna, den wir einen falschen Gott nennen, wußte und lehrte, wenn er sagte:Selbst die, welche Götzen verehren, verehren mich!" Man soll nur nicht vergessen, daß es eben derselbige unbekannte-unbenannte Gott war, von dem Paulus erklärte, daß er ihn verkündigen wolle, daß er eben der Gott ist, von dem der Dichter sagt, Namen nennen dich nicht. Mehr wissen zu wollen, als wir als Menschen wissen können, ist der schlimmste Unglaube. Daß Theologen, daß Päpste, Cardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, Priester und Mönche deshalb ans­hören würden, mehr wissen zu wollen, als der Mensch Wissen kann, daß sie