Aus Karl Friedrich Reinhard's Leben.
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Reinhard deutet an. daß es bei diesem Durchwühlen der Asche eines Verstorbenen zugleich darauf abgesehen war, irgend welche Schuldbeweise gegen Lebende, d. h. Wohl gegen sich selbst herauszubringen.
IV.
Für die Begegnung mit Goethe, so lange geplant und ersehnt, sollte sich eine unerwartete Gelegenheit bieten. „In wenigen Tagen," schrieb Reinhard am 18. Juni dem Freunde, „werd' ich Ihren Gegenden näher kommen. Uebermorgen geb' ich meiner Frau das Geleite nach Göttingen zu der endlich auszusührenden Reise nach Hamburg; ich wende mich nachher rechts nach dem Hauptquartier unsers Königs, und einmal über die Grenze, ist der erste Schritt gethan, und die andern werden mich nichts mehr kosten." Der Kaiser hatte vor Ausbruch des österreichischen Krieges die Bildung eines zehnten Armeecorps unter König Jerome angeordnet, das als Reservecorps Norddeutschland decken sollte. Als nun der Herzog von Brannschweig aus Böhmen in Sachsen einfiel, erhielt Jerome die Weisung, mit seinem Corps aufzubrechen und Sachsen zu schützen. Das diplomatische Corps wurde auf- gesordert, dem Hauptquartier zu folgen: Jerome glaubte das seiner königlichen Würde schuldig zu sein.
Reinhard hielt sich nur einen Tag in Göttingen aus', wo er einige Professoren sah, u. A. Schlözer und Sartorius; dann schloß er sich, am 24. Juni, dem König an, der zwei Tage später in Leipzig, am 1. Juli in Dresden einzog, schon am 4. Juli aber, um sein eigenes Reich besorgt, den Rückzug von dort antrat, zum großen Verdruß des Kaisers, der überhaupt mit der Kriegführung seines Bruders höchst unzufrieden war. Reinhard berichtete aus dem Feld wiederholt an Champagny über die militärischen Operationen. Die Lage der Gesandten, die dem Hauptquartier folgten, war eine üble, zuweilen eine gefährdete. Am 1. Juli schrieb er dem Minister offen, daß ihre Pflicht sie an den König binde, daß sie sich aber nicht an ihrer Stelle fühlen. „Was mich betrifft, so habe ich keinen andern Wunsch, als meine Pflicht und Ihre Befehle kennen zu lernen." Am 4. Juli traf Reinhard mit dem König in Freiberg ein, am 11. in Plauen, am 12. in Schleiz. Hier erhielten die Gesandten endlich vom Minister des Auswärtigen, Grafen von Fürstenstein, die Benachrichtigung, daß es ihnen freistehe, nach Cassel zurückzukehren. Noch in der Nacht reiste Reinhard mit den Gesandten Hollands und Württembergs über Jena nach Weimar, wo er am 13. Nachmittags ankam.
„Ich beabsichtige"—schrieb er dem Minister — „hier ein oder zwei Tage zu bleiben; dann werde ich den Weg nach Cassel fortsetzen. So hat sich für uns diese militärische Reise geendigt, wo, ich gestehe es, wir uns Alle ohne Ausnahme ein wenig deplacirt fühlten, und wo ich persönlich es um so mehr gewesen zu sein fürchte, als ich nicht hoffen kann, im Stande gewesen zu sein, Ihnen über die Kriegsereignisse oder richtiger über die Truppenbewegungen Nachrichten zu übermitteln, die würdig wären, die Aufmerksamkeit Seiner Kaiserlichen Majestät zu fesseln."
Warum er einige Tage in Weimar bleiben wollte, brauchte er seinem Minister nicht zu sagen. Goethe hielt sich in diesem Jahre meist in Jena auf, mit der Geschichte der Farbenlehre und der Vollendung der Wahlverwandtschaften beschäftigt, war aber am 13. Juni wegen der Kriegsereignisse